Es ist mittlerweile den meisten Menschen zu Ohren gekommen, dass der Fleischkonsum nicht nur lecker ist, sondern auch weitreichende Konsequenzen nach sich zieht. Neben dem moralischen Desaster, welches wir uns mit der Massentierhaltung leisten wird das ökologische Problem immer größer. Unsere Autorin hat Alternativen dafür, bei denen man streng genommen noch nicht einmal mehr verzichten muss.
Einige Menschen verzichten aus moralischen oder ökologischen Gründen auf den Verzehr von Fleisch oder reduzieren ihn zumindest. Wer gar nicht verzichten will, muss häufig tief in die Tasche greifen. Bei sogenanntem Bio-Fleisch oder Waren direkt vom Erzeuger kann man sich aber dennoch nicht ganz sicher sein, dass die Tiere so gehalten und geschlachtet wurde, wie es den eigenen moralischen Vorstellungen entspricht.
Die viel bemühte Kritik, dass man, wenn man denn schon auf Fleisch verzichtet, doch gefälligst auch kein Tofu Würstchen und veganes Schnitzel essen soll, führt inzwischen nur noch zu müdem Augenverdrehen. Schließlich findet der Boykott von Fleisch bei den meisten seinen Ursprung nicht in Ablehnung des Geschmacks. Das Problem ist vielmehr die unethische Massentierhaltung und ihre ökologisch verheerenden Folgen.
Doch auch der vegane Sojaburger mit Avocado und feinstem Rucola kann irgendwann fade werden. Schon allein, weil der übermäßige Konsum von den in veganen Restaurants häufig angebotener, aber ökologisch katastrophaler Avocado letztlich auch nicht unproblematisch ist. Neue Ideen müssen her! Und zwar solche, die innovativ, kreativ und belastbar die Zwickmühle aus dem Verzicht auf alles, was aus Massentierhaltung kommt und dem Überdruss gegenüber Tofu und Seitan auflösen.
Im folgenden zwei Ansätze, wie das Dilemma der leidenden Nutztiere und der gelangweilten Geschmacksknospen gelöst werden könnte.
Insekten essen
Zunächst eher eine Idee aus dem Kuriositätenkabinett sind frittierte Spinnen, Heuschrecken, Mehlwürmer und Burger Patties aus Fliegen. Die sogenannten „Speiseinsekten“, also Insekten, die für den menschlichen Konsum geeignet sind, bilden in weiten Teilen Afrikas und Asiens einen wichtigen Teil der Nahrungsgrundlage. Die Entomophagie beim Menschen, also der Verzehr von Insekten durch den Menschen, hat eine lange Tradition. Fast 2 Milliarden Menschen in Teilen Afrikas, Asiens, Nord-, Mittel- und Südamerikas sowie bei den australischen Ureinwohnern essen regelmäßig Larven, Würmer und Heuschrecken.
In Europa waren und sind diese kulinarischen Leckerbissen lange Zeit mit einem Ekelgefühl, das zu einem sogenannten Nahrungstabu führt, belegt. Der Trend geht allerdings inzwischen aus Neugier und teilweise auch aus ökologischer Motivation zu einem zumindest testweisen Verzehr der krabbelnden und fliegenden Viecher. Während in der Schweiz seit 2017 Mehlwürmer, europäische Wanderheuschrecken und Grillen für den Verzehr freigegeben sind, sind die in Deutschland geltenden Verordnungen strenger und auch noch in jedem Bundesland unterschiedlich. Doch immer mehr Menschen interessieren sich für alternative Ernährung. Auch wenn er häufig eher noch nach Kunstinstallation aussieht, wie zum Beispiel dieser 3D gedruckte falsche Hasen aus Mehlwurm-Kartoffel Teig:
Da Essen Gewohnheit ist und wir wohl alle früher den heute heiß geliebten Brokkoli respektive Spinat verschmähten, ist eine Entwicklung hin zu zermatschten Mücken, Mehlwurmkuchen und knusprigen Spinnenbeinen in der Suppe durchaus denkbar. Endlich hätten die nervig schwirrenden Viecher auch mal einen direkt erkennbaren Nutzen.
Fleisch aus dem Labor
Diese Variante zur Herstellung von Fleisch hat laut Hanna Tuomista (Wildlife Conservation Research Unit, Oxford University) das Potenzial Treibhausgase um 96% zu reduzieren. Es soll 45% weniger Energie zu verbrauchen, 96% weniger Wasser und ganze 99 % weniger Land zu verbrauchen. Logisch, Petrischalen sind kleiner als Kühe.
Was zunächst nach Science Fiction Dystopie klingt, könnte – mit etwas mehr Forschung – unser Essverhalten revolutionieren. Steak, Schinken, Burger, und das ganz ohne schlechtes Gewissen?
Die zugrunde liegende Biotechnologie wird schon länger in der Medizin mit menschlichen Hautzellen verwendet, um Transplantate für Schwerbrandverletzte zu züchten. Die Fleischschichten sind am einfachsten eindimensional züchtbar, können übereinander gelegt aber zum Beispiel wenig strukturiertes Hackfleisch ersetzen. Schwierigkeiten bereiten hingegen kompliziertere Strukturen wie Steak. Diese müssen an einem dreidimensionalen Gerüst wachsen und die Muskelzellen für vergleichbare Fleischkonsistenz mechanischer Bewegung ausgesetzt sein sollten. Das Ziel ist Fleisch im industriellen Maß synthetisch herzustellen, um den weltweit rasant zunehmenden Fleischkonsum zu befriedigen, ohne den Klimawandel eskalieren zu lassen.
Der erste gezüchtete Burger kostete noch rund eine viertel Million Dollar. Verschiedene Start Ups arbeiten daran, das Fleisch aus dem Labor jetzt auch für Normalverbraucher erschwinglich zu machen.
So will das niederländische Start Up “Mosa Meat” die Kosten pro Burger auf 10 Euro senken. Andere Anbieter wie das amerikanische Memphis Meats und das israelische Unternehmen SuperMeats haben das gleiche Ziel. Allerdings wird es noch ein paar Jahre dauern, bis das tierfreie Steak auf dem Markt erscheinen wird. Erstmal müssen nämlich die Kosten gesenkt werden, und vor dem Markteintritt muss das Produkt auf Verbraucherverträglichkeit getestet werden. Außerdem wird es, trotz aller Vorteile gegenüber konventioneller Fleischherstellung, schwierig sein, eingeschworene Kuh- und Schweinefleischliebhaber von der aus dem Labor stammenden Alternative zu überzeugen.
Pflanzliche Fleischalternativen
Abgesehen von Insekten und In-vitro Fleisch schlägt sich die überall erkennbare Bewegung hin zu alternativen Ernährungsweisen nieder. So auch in Produktneuerfindungen wie dem Impossible Burger, der Fleisch nicht nur hinsichtlich Geschmack sondern auch Konsistenz täuschend echt imitieren soll.
Er „blutet“ sogar mit pflanzlichem Hämoglobin. Veganes Hack lässt sich jetzt günstig erstehen und die Auswahl an vegetarischem Gyros, veganem Aufschnitt und tierfreiem Schnitzel ist riesig. Die Ausreden werden also dünn: wer „prinzipiell“ ein Problem mit Tierquälerei, verpestetem Grundwasser und grausamer Massentötung hat, muss handeln. Jetzt kann sich keiner mehr darauf berufen, „dass man ja irgendwas essen muss“. Zum Glück gibts was – und nicht zu knapp. Was darfs also als nächstes sein?
Ein Stück schmackhafter Mehlwurmbraten? Früchstücks-tofu-rührei mit gezüchtetem Laborbacon? Oder doch ganz bodenständig: Ein schmackhafter Heuschrecken Snack mit leckerem Dip?
Die Übernahme des Marktes durch Insekten- und Laborfleischalternativen ist wohl noch Zukunftsmusik. In den Supermärkten werden sie aber auch in Deutschland in den nächsten Jahren erhältlich sein. Essen ist wie so vieles was wir tun vor allem eines: Gewohnheit. Wer weiß, vielleicht wird der Spinnensnack zwischendurch ja nach den ersten, Überwindung kostenden Versuchen, zu eben jener. Bis es soweit ist sollte jeder, der mutig genug ist, die neuen Alternativen ausprobieren. So kann man zeigen, wie wir in Zukunft der Umwelt und den Tieren zu Liebe essen werden. So können wir als Pionier mit gutem Beispiel vorangehen.
In diesem Sinne: Willkommen in der Zukunft und – guten Appetit.
Autorin: Eva Schmidt
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