Nicht umsonst steigen Automobilriesen in das Carsharinggeschäft ein: Weder lohnt sich ein Auto in der Stadt, noch wird es heute weitgehend als Statussymbol akzeptiert. Doch nicht nur in der Stadt sind Autos pragmatisch und ökologisch gesehen Quatsch. Auch bei längeren Reisen verlockt eine kleine Prise Abenteuer dazu, autofrei unterwegs zu sein.
Mitfahrgelegenheiten sind da kaum ein Ersatz. Neben der Bindung an Zeiten und Mitfahrende gibt es eine Menge Raum für tendenziell oberflächlichen Smalltalk. Bahnfahren hingegen würde Spaß machen, ist aber eher was für notorische Bankräuber oder Millionärskinder. Wer fliegen will, kann das tun, sollte aber nie auf die klimafreundliche, weil fleischlose Ernährung verweisen. Der Flug von Zürich nach New York kostet 4100 kg CO2, das Kilo Rindfleisch schlägt mit 13 zu Buche.
Was spricht eigentlich gegen das Trampen? Hier die häufigsten Einwände und passende Gegenargumente:
Du wirst praktisch schon beim Daumen-Ausstrecken vergewaltigt, aufgeschlitzt und vergraben.
Was genau soll eigentlich der Unterschied zwischen Mitfahrgelegenheit und Trampen sein? Ist das Bauchgefühl á la „immerhin haben wir schon mal telefoniert“ so entscheidend? Trifft man die unangenehmsten Zeitgenossen nicht eher in der Regionalbahn? Tatsächlich liegt die Wahrscheinlichkeit in den USA beim Trampen ermordet oder vergewaltigt zu werden bei 0,0000089%. Es ist also wahrscheinlicher, zu stolpern und dabei zu sterben, als beim Trampen umzukommen.
Trampen ist extrem zeitaufwendig.
Klar, „Der Weg ist das Ziel“ ist recht abgedroschen, aber dennoch ist an dem Spruch eine Menge Wahres dran. Es gibt nur wenige Reisearten, mit welchen du Land und Leute so direkt kennenlernen kannst – und das geschieht eben auf dem Weg. Auch bleibt dir so Workout-Unsinn in den ersten Monaten nach der Reise erspart – trampen hält fit! Sicherlich ist das Flugzeug wesentlich schneller, aber so bleibt auch keine Zeit, die Reise zu realisieren. Berlin – Lissabon in wenigen Stunden, da ist das „Jetlaggefühl“ nicht der Zeitverschiebung, sondern der Geschwindigkeit, mit der du dich in ein anderes Land katapultierst, geschuldet. Davon mal abgesehen vergessen wir leicht die öde Zeit auf dem Flughafen, in den nervigen Securitycheckschlangen sowie den Weg zum Flughafen und zurück.
Mit wem willst du trampen? Irgendwann sind alle deine Freunde bequem geworden…
Schnell ist klar: In der Tramppartnerwahl ist wenig Platz für Promiskuität.
Und die Planung? Du kommst doch eh nicht an …
Wer einmal eine Autobahnraststätte erreicht hat, dürfte in Frankreich, Deutschland und Osteuropa keine Probleme mehr haben. Auf hitchwiki.org lassen sich auch gute Spots in Erfahrung bringen, um weltweit zu starten.
Und der Rucksack? Sicher endest du mit Rückenschmerzen oder Hexenschuss und wirst von einem ADAC-Hubschrauber geborgen!
Es gibt Reisende, deren Rucksack mit der Zeit leichter wird (weil alle Bücher ausgelesen sind und zurückbleiben), und Menschen, die immer mehr tragen (weil die Totenmaske sich so gut in der Küche machen würde). Was das Packen angeht, gibt es einen Trick: Packe deinen Rucksack. Schütte alles aus. Lass die Hälfte zu Hause. Packe deinen Rucksack neu.
Du wirst schmierige und komische Leute kennenlernen.
Ja, keine Frage. Aber auf Mitfahrgelegenheiten gibt es auch kuriose Gestalten, und auszusteigen ginge ja sowieso immer – im Gegensatz zur Reise im Flugzeug. Für dein Sicherheitsgefühl auch ein Messer oder Pfefferspray mitnehmen. Doch Vorsicht: Ein solches Spray fällt unter das Waffengesetz in Schweden. Aber egal, die meisten verletzen sich sowieso eher selbst damit.
Mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit wirst du Vertrauen, Optimismus und den Glauben in die Menschen (wieder-) gewinnen. Wie bei Couchsurfing, einer Clubbekanntschaft oder dem Besuch von entfernten Verwandten, weißt du zwar vorher nicht, was dich erwartet, bist aber am Ende ziemlich sicher positiv überrascht.
Worum geht es wirklich?
Wer nach ein oder zwei Tagen Spanien (das ist durchaus realistisch) erreicht und Prüfungen und Miete (untervermieten lohnt immer) gegen Mittelmeer, Tapas und nette Menschen eintauscht, fühlt sich wie ein verdienter Eroberer. Natürlich ist eigentlich jeder Quadratmeter mit Google Maps einsehbar, die Route berechenbar und Tapas gibt es in jeder mittelgroßen, deutschen Stadt – aber dennoch blieb ein Rest vom “Das-hab-ich-mir-selbst-erkämpft-Gefühl”.
Das kann Ryanair nicht ersetzen.
Im Endeffekt entscheidet sich jeder Mensch selbst, ob er mal trampen möchte oder Tramper mitnimmt, etwas Neues wagt oder eher die Sicherheit schätzt, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu sein.
Aussterben wird der Spaß aber sicher nie.
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