Stelle dir vor es ist Sommer 2017, du bist Anfang 20 und sitzt im Café. Die Sonne scheint auf dein Haupt. Der Kellner kommt mit dem Cappuccino und stellt ihn auf den Tisch. Darunter ein Bierdeckel! Du schaust verwundert und hebst den Bierdeckel hoch. Auf dem Deckel siehst du eine Prozentzahl. Du denkst, mhhh, was Alkoholisches! Doch dann drehst du den Deckel um und fängst an zu lesen: „Gemeinsam tragen wir ein globales Grundeinkommen, 1% deines Einkaufes bei uns finanziert dein Grundeinkommen mit“. Du denkst: „Uuiui, was ist denn das?“ Du wirst neugierig und schaust auf die Webseite. Da steht etwas über ein gewisses Impact-Label. Du liest und liest, bekommst dabei ganz große Augen und fängst an zu verstehen. „Aha, jedes Mal wenn ich hier oder in einem anderen Laden mit Impact-Label meinen Kaffee trinke, erhalte ich ein Los, wie praktisch.“
Dann rufst du ganz aufgeregt den Kellner und sagst: „Einmal die Rechnung bitte und dazu ein Los!“ Der Kellner lächelt mitwissend und kommt mit einem kleinen Kärtchen zurück. Auf dem Kärtchen liest du: „Dies ist deine Chance auf dein ganz eigenes globales Mini-Grundeinkommen. Gewinne jetzt einen monatlichen 10€ Gutschein bis an das Ende deiner Tage.“ Deine Augen werden immer größer. Du denkst laut vor dich hin: „Alles klar, je größer die Prozentzahlen des Impact-Labels oder je mehr Organisationen und Unternehmen beteiligt sind, desto höher ist das Grundeinkommen, desto mehr Menschen erhalten also eines, desto florierender ist damit der Markt und vielfältiger die Gesellschaft.“ Du denkst: „Hammer, Geil“.
Von Rohmilch und Festschmäusen
Stell dir vor es ist 2020 und du bist in deinen Zwanzigern. Du hast kein Grundeinkommen aber Ideen, Projekte und Ziele. Möchtest die Welt bereisen, Menschen kennenlernen und Kulturen begreifen. Du bist voller Energie und Lebenslust – du suchst nach deiner Leidenschaft, deinen Fähigkeiten und einer Aufgabe, die dich erfüllt. Dafür malochst du wie ein Wilder, um dir das alles zu finanzieren. Du strampelst, strampelst und strampelst doch die Rohmilch will einfach nicht zur Sahne werden. Es reicht wie immer nur so grad für trockenes Brot – Tag ein Tag aus trockenes Brot.
Jetzt stellt euch nochmal vor es ist 2020 und ihr seid in euren Zwanzigern.
Klotz-Fabrik oder Pilzburger-Zucht?
Stell dir vor es 2030 und du bist in deinen Dreißigern. Du hast noch immer kein Grundeinkommen aber Familie und Kinder. Das Leben rennt nur so an dir vorbei und der Alltag hat dich gefangen. Du bist in einem Beruf, der dir zum Hals raushängt, aber du musst immer weiter ranklotzen! – Du klotzt und kommst nicht von der Stelle weg. Du strampelst und strampelst und strampelst doch die Rohmilch wird einfach nicht dicker. Es reicht wie immer nur so grad für trockenes Brot – Tag ein Tag aus trockenes Brot.
Jetzt stellt euch vor es ist 2030 und ihr seid in euren Dreißigern. Euer Grundeinkommen ist jetzt schon bei 100€ im Monat. Ihr habt gespart und es monatlich weggelegt und wagt es endlich eure Ideen und Projekte in die Tat umzusetzen.
Credit oder Craft-Bier?
Stell dir vor es ist 2040 und du bist in deinen Vierzigern. Du hast noch immer kein Grundeinkommen aber hast dir Haus, Hof, Auto und Boot angeschafft. Du schuftest und schuftest und schuftest, aber deine Kredite werden und werden nicht kleiner. Du strampelst, strampelst und strampelst mit Aussicht, dass die Rohmilch endlich fester wird, doch sie ist platsch flüssig und du hast keine Chance. Es reicht wie immer nur so grad für trockenes Brot – Tag ein Tag aus trockenes Brot.
Jetzt stellt euch vor es ist 2040 und ihr seid in euren Vierzigern. Euer Grundeinkommen ist jetzt schon bei 500€ im Monat.
„Einmal Bhutan, bitte!“
Stell dir vor es ist 2050 und du bist in deinen Fünfzigern. Du hast noch immer kein Grundeinkommen und deine Kinder haben Kinder und alle rackern, rackern und rackern. Der Rücken zwickt, die Glieder schmerzen und du bist mehr und mehr vom Leben isoliert. Du strampelst, strampelst und strampelst die Sahne scheint in greifbarer Nähe zu sein und dennoch reicht es wie immer nur so grade für trockenes Brot – Tag ein Tag aus trockenes Brot.
Jetzt stellt euch vor es ist 2050 und ihr seid in euren Fünfzigern. Euer Grundeinkommen ist jetzt schon bei 1000€ im Monat. Ihr ruft nur noch spontan: „Wir möchten Reisen, einmal nach Bhutan bitte“. Das selbstfahrende Solarelektro-Auto kommt vorbei gedüst und bringt euch zum Hyperloop an den Hauptbahnhof.
Jetzt ist es Anfang des 22.Jahrhunderts und ihr seid schon über 100. Euer Grundeinkommen ist inzwischen schon über 2500€ im Monat. Und ihr seid immer noch da! Diesmal tanzend mit dem Stock in der Luft wedelnd und es ist geiler denn je. Ihr blickt lächelnd zurück. Ihr habt die Welt bereist, Menschen kennengelernt und Kulturen erlebt. Ihr habt voller Energie und Lebenslust eure Ideen verwirklicht und seid euren Leidenschaften gefolgt. Doch wie sagt man so schön? Wenn es am besten ist, gebt ihr besser den Löffel ab. Ihr macht ein Kreuz, sagt: “Was für eine Reise, geil wars!“, legt euch nieder, verbrennt euch zu Asche und lasst euch als Bäume pflanzen. Und die Erde? Die wird immer grüner und grüner und grüner!
Zum Thema:
Der Autor: Fasziniert von der Vielfalt des Menschen und seiner Fähigkeit, kreative und hoch-komplexe Innovationen zu entwickeln, strebt Samuel mit einer unbändigen Zielstrebigkeit danach, das maximale Potenzial des Menschen zu entfachen. Er ist einer der Gründer von Ovie – implementing visions, ein sozial startup aus München, mit dem Ziel ein globales Grundeinkommen aus der Wirtschaft heraus von unten nach oben wachsen zu lassen.
Der Illustrator und Designer Marco Armbruster lebt und arbeitet in Mainz. Ausgleich zum Alltag vor dem Bildschirm findet er in analogen Zeichentechniken und als Gemüseverkäufer auf dem Wochenmarkt. Sein aktuelles Werk: