Robin Hood fliegt zur Erde. Visual Art mit Dall-E.
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Erde an Robin Hood: Bitte kommen!

Die soziale Ungleichheit ist extrem. Für eine Zukunft mit stabilem Klima müssen wir die Arm-Reich-Schere schließen. Ein Gastbeitrag der Treibhauspost.


Dieser Text erschien zuerst bei der Treibhauspost, dem sehr lesenswerten Newsletter zu Klimakrise und Klimagerechtigkeit (abonnieren).


Verleger Julien Backhaus vereint in sich wirklich alle schlimmen Klischees über Reiche. Die ARD-Kurzdoku „Das Klima und die Reichen“ zeigt ihn, wie er mit zusammengekniffenen Augen vor seinem Privatjet steht und in die Kamera spricht: Er finde es abartig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen und sich „mit diesen ganzen rotzenden und keuchenden Leuten eine Kabine zu teilen.“

Da pustet er also lieber mit einem einstündigen Flug von Wilhelmshaven nach Frankfurt so viel Tonnen CO₂ in die Atmosphäre, wie er Gel in den Haaren hat. So viel CO₂, wie einem Erdenbürger laut Pariser Abkommen rechnerisch in einem ganzen Jahr zur Verfügung stünde.

Backhaus, Autor von Büchern wie Erfolg und Ego, ist sich sicher, dass er damit niemandem schade – und überhaupt: ums Klima mache er sich kaum Gedanken.

Erfolgreiches Ego: Julien Backhaus. Screenshot ARD Mediathek.
Erfolgreiches Ego: Julien Backhaus. 📸: Screenshot ARD Mediathek.

Ich könnte jetzt eine Wutrede über den Fußabdruck der Superreichen schreiben und es juckt mich in den Fingern, aber von diesen Wutreden gibt es schon genug. Außerdem würde das an einem entscheidenden Punkt vorbeigehen. Denn die Bedeutung sozialer Ungleichheit für das Klima ist weitaus tiefgreifender als der Aspekt des individuellen Konsums von Reichen: Die Arm-Reich-Schere kann jeglichen Klimaschutz blockieren.

Wenn wir es als Menschheit nicht schaffen, die aktuell extreme Ungleichheit einzudämmen, werden wir es auch nicht schaffen, die Klimakrise zu lösen. Damit es uns gelingt, mal plakativ gesagt, genug Windräder und PV-Anlagen aufzustellen, müssen wir unseren Wohlstand grundlegend neu verteilen. Denn mehr Gleichheit ist eine zwingend notwendige Basis für die Transformation zu einer klimagerechten Gesellschaft.

Und keine Sorge: Ich will hier keine Luftschlösser bauen. Es gibt unzählige gründlich durchdachte Vorschläge und Maßnahmen aus der Wissenschaft, um das zu erreichen.

Ein paar Fakten zu extremer Ungleichheit

Heute herrscht ein besorgniserregendes Ausmaß an Ungleichheit sowohl zwischen als auch innerhalb von Staaten. Eine Studie zu den Gehältern in den USA zeigt, wie drastisch die Entwicklung ist: 1965 verdienten die CEOs der größten börsennotierten Unternehmen das 21-fache des Durchschnittsgehalts von Arbeitnehmer*innen.

Im Jahr 2020 lag das Verhältnis bei 352 zu 1.

Kann die Arbeit eines Menschen wirklich 352-mal mehr wert sein als die eines anderen – innerhalb eines Unternehmens?

Doch die größte Ungleichheit herrscht gar nicht beim Einkommen. Beim Vermögen sieht es noch viel schlimmer aus.

Die ärmere Hälfte der Welt verfügt nur über lächerliche zwei Prozent-Krümel des globalen Vermögens.

Die reichsten zehn Prozent dagegen bekommen vom Kuchen ganze drei von vier Stücken:

📸: Executive Summary des World Inequality Reports 2022, Seite 10.

Wie stark diese Ungleichheit zunimmt, zeigt ein aktueller Oxfam-Bericht, bei dem einem fast die Augen aus dem Kopf fallen: Seit Pandemie-Beginn 2020 gingen zwei Drittel des globalen Vermögenszuwachses an das reichste Prozent.

In Deutschland gingen sogar vier Fünftel des neuen Vermögens an das reichste Prozent der Menschen.

Nur knapp ein Fünftel landete also bei den restlichen 99 Prozent.

Kein Wunder, dass es immer mehr Arbeitslose gibt – die ihr Geld mit Geld verdienen: Inzwischen gibt es nämlich in Deutschland mehr als 800.000 Rentiers, also Menschen, die von ihrem Vermögen leben und nicht arbeiten müssen. Wie oft wohl das Jobcenter bei ihnen anruft?

Rentiers ziehen keine Schlitten, sondern verdienen ihr Geld mit Geld. 📸: Statista

Die Deregulierung und Liberalisierung der Märkte im Zuge der Globalisierung hat seit den 1980ern laut World Inequality Report in nahezu allen Ländern zu rapide steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten geführt. Und das wird für unsere Gesellschaften zunehmend zum Problem – auch bezogen aufs Klima.

Im angelsächsischen Raum ist die Ungleichheit seit 1980 besonders stark gestiegen. 📸: World Inequality Report 2018, S. 69

Aber Ungleichheit verursacht doch gar keine Treibhausgase, oder? Nicht wirklich, sie bremst Klimaschutz jedoch gehörig aus. Die beiden britischen Forscher*innen Kate Pickett und Richard Wilkinson haben kürzlich ein Paper veröffentlicht, in dem sie mehrere Gründe dafür nennen.

Reiche Menschen haben große Füße

Der offensichtlichste Grund zuerst: Ungleichheit wird seit den Anfängen der Industrialisierung mit Wachstum legitimiert, nach dem Motto „faire Verteilung ist unwichtig, solange der Kuchen größer wird“. Dabei kann der Kuchen nicht ewig wachsen, nicht auf einem endlichen Planeten.

Schon jetzt hat die Menschheit sechs von neun planetaren Grenzen überschritten. Auch der IPCC sagt klar und deutlich, dass die Weltwirtschaft bis 2050 eigentlich schrumpfen müsse, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.

Spätestens damit stirbt auch der Mythos des Trickle-Down-Effekts, also der Irrglaube, dass Wohlstand durch Konsum und Investitionen der Oberschicht in die unteren Schichten „durchsickern“ würde. Statt eines größeren Kuchen, den ohnehin die Reichsten unter sich aufteilen, braucht es also vor allem eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Stücke.

Womit wir schon beim nächsten Problem wären: dem Konsum der Superreichen. Wenn Du vorhin wegen Julien Backhaus schon wütend geworden bist, dann halt Dich jetzt gut fest. Weltweit werden fast die Hälfte aller Emissionen von den reichsten zehn Prozent ausgestoßen. Das reichste Prozent gönnt sich sogar unfassbare 17 Prozent:

📸: World Inequality Report 2022, Executive Summary, Seite 18.

Eine Studie von 2021 untersuchte die CO₂-Fußabdrücke von Milliardär*innen. Spitzenreiter: der Öl-Oligarch Roman Abramowitsch mit 31.200 Tonnen Emissionen pro Jahr. Das entspricht den Emissionen von 2.836 Deutschen oder 16.166 Inder*innen.

Demgegenüber steht eine krasse rechnerische Überlegung: Würden in den reichen Industrienationen alle so viel ausstoßen, wie die ärmeren 50 Prozent der dortigen Bevölkerung, wären die für 2030 gesetzten Klimaziele bereits erreicht.

Das ist aber nicht alles: Der exzessive Konsum der Reichen verschärft die Klimakrise auch durch Effekte der sozialen Nachahmung. Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich in einer Gesellschaft, desto wichtiger wird der soziale Status. 

In ungleichen Gesellschaften haben Menschen aus allen Einkommensgruppen eher Angst um ihren Status und sorgen sich darum, wie andere sie beurteilen. Sie kaufen sich mehr Dinge, wollen den größeren SUV und die neuesten Nikes.

Für sozialen Wandel braucht es Vertrauen

Es gibt aber noch einen viel tiefgreifenderen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Klimakrise: Herrscht eine zu hohe Ungleichheit, sind Gesellschaften nicht widerstandsfähig genug, um die nötige sozial-ökologische Transformation zu schaffen.

Erstens, weil extreme Ungleichheit zur Aushöhlung der Demokratie führt. Durch die Konzentration des Wohlstands am oberen gesellschaftlichen Rand verlagert sich auch die politische Macht dorthin. Einige wenige können dank ihrer finanziellen Mittel die Politik übermäßig stark beeinflussen und ihre Interessen durchsetzen. Damit geht die demokratische Idee der fairen Repräsentation verloren.

Zweitens nehmen soziale Spannungen zu, je weiter die Ungleichheit wächst. Wenn sich Menschen abgehängt und ignoriert fühlen, sich ihre Miete nicht mehr leisten können oder sich nicht trauen, die Heizung aufzudrehen, nehmen Misstrauen und Ängste zu.

Das schadet auch der einen Sache, die am wichtigsten für unser aller Wohlergehen ist: unseren Beziehungen. Das haben zahlreiche Studien untersucht. Menschen in ungleichen Gesellschaften engagieren sich durchweg seltener in lokalen Gruppen, haben weniger Freund*innen, misstrauen anderen eher und sind auch seltener bereit, sich gegenseitig zu helfen.

Kurz: Eklatante Ungleichheit höhlt den sozialen Zusammenhalt aus. Den brauchen Regierungen aber dringend, wenn sie die breite Mehrheit ihrer Bürger*innen hinter sich bringen und in Zeiten tiefgreifender Transformation handlungsfähig bleiben wollen.

Was andernfalls passieren kann, zeigt ein Blick nach Frankreich, auf Macrons fehlgeschlagenen Versuch, kurz nach Abschluss des Pariser Abkommens eine Klimaschutzmaßnahme einzuführen: Mit seinem Vorschlag, die Kraftstoffsteuern zu erhöhen, um den CO₂-Verbrauch durch den Autoverkehr zu senken, provozierte er die monatelangen gewaltsamen Proteste der Gelbwesten-Bewegung.

Und jetzt?

Ungleichheiten bremsen effektive Maßnahmen aus und verstärken damit die Klimakrise, wodurch wiederum Ungleichheiten verstärkt werden – ein hässlicher Teufelskreis. In den werden wir uns immer tiefer hinein manövrieren, wenn sich die derzeitigen Trends der zunehmenden Ungleichheit und der Weiter-So-Politik fortsetzen.

Die Autor*innen des aktuellen „Club of Rome“-Berichts Earth for All liefern deshalb einen Fahrplan, um das Blatt noch zu wenden. 

Anvisiertes Ziel: Die reichsten zehn Prozent verfügen über höchstens so viel Einkommen wie die ärmsten 40 Prozent.

Dieses Maß an Ungleichheit halten sie für verträglich – und erreichbar. Dafür schlagen sie Maßnahmen in drei Stufen vor.

1 – Progressive Besteuerung

Die progressive Einkommenssteuer (also höhere Steuern je höher das Einkommen) ist ein erstes Instrument, mit dem Ungleichheit eingedämmt werden kann. Das nützt aber nur etwas, wenn auch Erbschaften und Vermögen entsprechend besteuert werden. Dabei muss die Vermögenssteuer höher sein als die auf Einkommen, sonst wächst die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter.

Zudem braucht es Instrumente, die das Lohngefälle zwischen dem Gehalt von CEOs und dem Durchschnittsgehalt innerhalb ihrer Unternehmen verringern. 

Eine weitere wichtige Maßnahme ist eine globale Unternehmenssteuer, um die Praxis multinationaler Konzerne zu unterbinden, im globalen Süden hohe Umsätze zu machen, diese aber nicht vor Ort zu versteuern. Ein Anfang hierfür ist schon gemacht: 130 Staaten haben sich kürzlich auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent geeinigt.

2 – Demokratisierung der Wirtschaft

Damit Arbeitnehmer*innen die Transformation der Wirtschaft unterstützen, muss gewährleistet sein, dass auch sie von den tiefgreifenden Veränderungen profitieren. Ihre Verhandlungsmacht muss deshalb wieder gestärkt werden, etwa indem die Organisation in Gewerkschaften gefördert wird.

Die Autorinnen von Earth for All schlagen außerdem Modelle wie die Miteigentümerschaft vor, bei dem Arbeitnehmerinnen am Unternehmen, in dem sie arbeiten, eine Beteiligung erhalten und in Entscheidungen eingebunden werden.

3 – Allgemeine Grundsicherung

In einem dritten Schritt müssen Regierungen ihren Bürger*innen in Zeiten des Umbruchs eine grundlegende finanzielle Sicherheit garantieren. Einige Instrumente wurden schon häufig vorgeschlagen und sogar getestet: hohe Pauschalzahlungen an junge Erwachsene, ein allgemeines Grundeinkommen oder die Verteilung von Abgaben auf CO₂-Emissionen.

Die Autor*innen von Earth for All schlagen eine ähnliche Maßnahme vor: eine „Global Commons Dividend“, also eine Dividende auf die globalen Gemeingüter. Solche Gemeingüter sind Ressourcen, die uns allen gehören, etwa öffentliche Daten, Energiequellen, Wasser, Luft, Land und so weiter.

Unternehmen, die nun etwa CO₂ emittieren, Wälder abholzen, öffentliche Daten nutzen oder in NRW ein Dorf wegbaggern, müssten dafür eine Abgabe zahlen. Die Einkünfte würden dann in Form von Dividenden gerecht an alle Bürger*innen verteilt. So wird nicht nur ein Sicherheitsnetz geschaffen, sondern auch Freiraum für Kreativität und Unternehmergeist.

Tschüß, extreme Ungleichheit

Es ist nicht nur eine naive Hoffnung, dass selbst Vermögende an der Vision einer Welt mitarbeiten, in der wir extreme Ungleichheiten in die Geschichtsbücher verwiesen haben werden. Das zeigen etwa Verbände von Superreichen wie die Patriotic Millionaires oder reiche Menschen wie Marlene Engelhorn, die von Regierungen fordern, stärker besteuert zu werden.

Auf uns wartet eine Zukunft mit häufigeren Naturkatastrophen, Wasserknappheit und Hitzewellen. Wenn wir damit klarkommen und das Schlimmste verhindern wollen, müssen wir Windräder aufstellen, Solaranlagen installieren, unsere Gebäude sanieren, Dämme errichten, Städte hitzeresistent machen und keine neuen Autobahnen mehr bauen.

Die vielleicht grundlegendste Klimaschutzmaßnahme aber ist, unseren Wohlstand angemessen zu verteilen – sonst wird uns alles andere nicht schnell genug gelingen.

Text: Manuel Kronenberg (Treibhauspost)
Bild: Dall-E

Zur Person

Gastautor:in
Manuel Kronenberg betreibt zusammen mit Julien Gupta die Treibhauspost, den Newsletter mit Utopien, Analysen und Lösungen für unseren Planeten.

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