Unser CO₂-Ausstoß killt das Klima. Elf Möglichkeiten, ihn rückgängig zu machen.
Wir haben die Erdatmosphäre mit Treibhausgasen zugemüllt. Und das merken wir deutlich. Die letzten vier Jahrzehnte waren heißer als jedes vorangegangene Jahrzehnt seit 1850. Die globale Oberflächentemperatur lag zwischen 2001 und 2020 bereits ein Grad über dem Temperaturniveau von 1850 bis 1900. Zugegeben: Nach besonders viel klingt ein Grad Celsius Erderhitzung nicht. Nach T-Shirt-Wetter höchstens.
Was es aber bedeutet: Anstieg des Meeresspiegels, Dürren, Brände, Versauerung der Ozeane, Flutkatastrophen, Artensterben oder auch Kälteeinbrüche. Das Verschieben von Durchschnittstemperaturen wird bei einem Spaziergang durch vertrocknete Wälder oder bei einem Gespräch mit einem Friedhofsgärtner oder einer Dachdeckerin deutlich.
Scheinbar gehen wir die Klimakrise konsequent an: Fridays For Future oder Extinction Rebellion protestieren, Politiker:innen beschließen eine erweiterte EU-Berichtspflicht für Unternehmen. Die wiederum pappen auf mehr und mehr Produkte »klimaneutral« drauf.
Müssen wir CO₂ aus der Atmosphäre holen?
Doch tut sich was? Der weltweite CO₂-Ausstoß erreichte 2021 einen historischen Höchststand. Gleichzeitig nahm der Anteil der DAX-Unternehmen, die mit ihren missionsreduzierungen auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel sind, seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens ab. Wir sehen überall Absichtserklärungen, es gibt regelmäßig Klimakonferenzen, doch tatsächlich steigen die Emissionen. Müssen wir das CO₂ zukünftig aus der Atmosphäre holen, weil wir es heute nicht hinbekommen, dessen Ausstoß zu reduzieren?
In der Atmosphäre bleibt das CO₂, das für die Erderhitzung wichtigste Treibhausgas, freilich nicht lange. Zu 56 Prozent nehmen es Ökosysteme an Land und die Meere auf. Allein Meere haben zwischen 1994 und 2007 etwa 34 Milliarden Tonnen CO₂, also ein Drittel unserer Emissionen in diesem Zeitraum, aufgenommen.
Das passiert durch einen Druckausgleich an der Wasseroberfläche. Ist der atmosphärische Druck von CO₂ höher als der im Wasser, wird CO₂ aus der Atmosphäre im Oberflächenwasser gelöst. Durch Meeresströmungen gelangt es in tiefe Wasserschichten und wird dort gespeichert. Die Folge: Versauerung und Erhitzung der Meere.
Es ergibt sich daraus eine andere wichtige Schlussfolgerung: Da die CO₂-Konzentrationen von Atmosphäre und Ozeanen miteinander korrespondieren, müssen, vereinfacht gesagt, zwei Tonnen CO₂ aus der Luft gezogen werden, um eine Tonne aus der Atmosphäre zu entfernen. Ein Nachteil wäre das natürlich nicht. Schließlich ächzen Ökosysteme etwa aufgrund der Versauerung der Meere unter dem CO₂. Es gibt so einige Ideen, wie das klappen könnte mit dem CO₂-Entzug. Wir haben sie uns genauer angeschaut.
Als Versauerung der Ozeane wird die Abnahme des pH-Wertes des Meerwassers
durch die Aufnahme von CO₂ aus der Erdatmosphäre beschrieben. Die Folge ist
der Tod von Lebewesen mit einem Kalkskelett wie etwa Korallen, Skelett aus Kalk, etwa Korallen, die mittlerweile in allen Meeren ausbleichen.
Öko-Lösung: Wald aufforsten
Bäume nehmen während ihrer Wachstumsphase CO₂ auf, vor allem in den ersten Jahren. Je nach Baumart erreicht die Speicherung nach 20 bis 60 Jahren ihr Limit. Alte Bäume spielen aufgrund ihrer tief reichenden Wurzeln eine besondere Rolle für die Speicherung von CO₂. Sterben die tiefen Wurzeln ab, wird der in ihnen gebundene Kohlenstoff langfristig in tiefen Bodenschichten gebunden und gelangt nicht durch eine Zersetzung der abgestorbenen Biomasse zurück in die Atmosphäre.
Laut dem Weltklimarat IPCC könnten im Jahr 2050 bis zu 3,6 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr durch die globalen Wälder gebunden werden. Das ist rund ein Drittel der jährlichen globalen Emissionen. Dafür müssten allerdings große Flächen aufgeforstet werden. Flächen, die wir nicht haben, weil fruchtbare Böden schwinden oder für den Anbau von Futtermitteln oder Siedlungen benötigt werden.
Wichtig angesichts zunehmender Dürren und Brände: Holz ist nur ein Zwischenspeicher für CO₂. Beim Verbrennen oder Verrotten eines Baumes wird es wieder frei. Nicht etwas Holz, sondern ganze Wälder als funktionierende Ökosysteme speichern Emissionen dauerhaft – über wie unter der Erdoberfläche.
Öko-Lösung: Algen pflanzen
Algen bilden neben den globalen Regenwäldern die zweite »grüne Lunge« des Planeten. Gemessen an der Gesamtbiomasse sind sie die dominanten Lebewesen in den Ozeanen. Da sie sehr schnell wachsen, können sie unter idealen Umständen schneller und mehr CO₂ binden als Pflanzen an Land.
Unter anderem wurde im Jahr 2000 im Rahmen des Experiments »EisenEx« des Alfred-Wegener Instituts versucht, das Wachstum der Algen durch Düngung mit Eisensulfat zu fördern. Leider waren die Ergebnisse ernüchternd, denn über das Eisensulfat freuten sich nicht nur Algen, sondern auch Bakterien, die wiederum CO₂ freisetzen. »In der Forschung wird dies inzwischen kaum noch als ernsthafte Option behandelt« , lautet das Fazit von Oliver Geden und Felix Schenuit in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Dann die Algen lieber massenhaft in Bioreaktoren züchten? Dabei wird nicht nur CO₂ gebunden, steuern lassen sich so auch deren Zusammensetzung und somit ihr Stoffwechsel. Der Biotech-Traum ist es, auf diese Art und Weise Biotreibstoffe oder Nahrungsmittel zu produzieren.
Dieser Traum ist allerdings kein neuer. Schon vor 20 Jahren machte einer der beiden Autoren dieses Textes ein Schülerpraktikum in der Algenzucht-Anlage in Klötze. Für Biosprit reichte es damals nicht. Immerhin ist Vitamin-B-12 als Nahrungsergänzungsmittel teuer genug, damit sich die Algenproduktion auf diese Art lohnt.
Aktuell wird an Algensorten geforscht, die eine größere Menge an CO₂ sequestrieren können, was letztendlich eine breite Nutzung dieser Meeresbewohner im Sinne einer Verlangsamung des Klimawandels bedeuten könnte. Allerdings lässt der große Durchbruch auf sich warten.
Öko-Lösung: Climate-Farming
In Humus, der Gesamtheit der abgestorbenen organischen Bestandteile des Bodens, ist viel Kohlenstoff gebunden. Durch die starke Bodennutzung und Industrialisierung der Landwirtschaft ging jedoch viel Humus im Boden verloren. Dessen Kohlenstoff oxidierte zu CO₂. Zwischenfruchtanbau, tiefwurzelnde Pflanzen, Einarbeiten von Ernteresten können diesen Humus wieder aufbauen – und Kohlenstoff binden.
Es ist unklar, wie tief die Böden dabei umgepflügt werden sollten. Bei manchen wird dadurch zusätzliches CO₂ freigesetzt. Bei anderen Böden kann organisches Material besonders tief eingebunden werden. Zwischen zwei und fünf Milliarden Tonnen CO₂ könnte man durch klimabewussten Ackerbau pro Jahr weltweit aus der Atmosphäre holen.
Die Wirksamkeit von Humusaufbau und Ackerboden-Management ist jedoch nicht nur von den einzelnen Böden, sondern auch von der Verfügbarkeit von Lebewesen abhängig, die organische Substanzen im Boden zersetzen. Grundsätzlich kann Humusaufbau also nur in einem natürlichen und gesunden Gesamtökosystem Boden funktionieren.
Öko-Lösung: Moore vernässen
Der Großteil der Moore befindet sich auf der nördlichen Erdhalbkugel. Diese können pro Hektar etwa 700 Tonnen Kohlenstoff speichern. Das ist sechsmal mehr als die selbe Fläche Wald! Die gute Nachricht ist, dass diese Speicherkapazitäten noch nicht ausgeschöpft sind.
Die schlechte Nachricht, dass jährlich nur 80 bis 100 Kilogramm pro Hektar Moor aufgenommen werden. Vor etwa 200 Jahren war es noch das Zwei- bis Dreifache. Geht es so weiter, entwickeln sich Moore von Speichern zu Quellen von CO₂-Emissionen. Viele Moore wurden und werden trockengelegt, um Torf abzubauen und mehr bewirtschaftbares Land zu erhalten.
Seit dem Ende der letzten Eiszeit gingen weltweit etwa 50 Millionen Hektar Moorfläche verloren. In Deutschland waren ursprünglich 4,2 Prozent der Landfläche durch Moore bedeckt. Heute gelten nur noch 0,2 Prozent als naturnahe Moore, eine Fläche in etwa so groß wie Hamburg.
Die Entwässerung ursprünglicher und die Übernutzung vorhandener Moorflächen entlässt Unmengen klimaschädliches CO₂ und Lachgas in die Atmosphäre. Allein 2015 waren es weltweit 1,5 Gigatonnen CO₂-Äquivalente, ein Achtel der gesamten menschlich verursachten Emissionen in einem Jahr. Es müsste andersherum sein: mehr Vernässung von Mooren. Hierzu müssten Wasserverluste in Mooren begrenzt werden, etwa durch Pufferzonen um vorhandene Moore, die einen höheren Wasserstand erlauben.
CO₂-Äquivalente: Die Emissionen von unterschiedlichen klimawirksamen
Gasen wird für gewöhnlich in CO₂-Äquivalente umgerechnet, um die klimaschädigende Wirkung der unterschiedlichen Emissionen vergleichbar zu halten. Ein Kilogramm Methan ist genauso klimaschädlich wie 298 Kilogramm CO₂.
Zusätzlich müsste der Wasserzufluss zu Mooren erhöht werden, zum Beispiel durch die Renaturierung von Flussläufen oder geringere Wasserentnahmen aus diesen. Letztendlich müssten die Wasserhaltekapazitäten des Bodens ehemaliger Moorlandschaften wieder erhöht werden, etwa durch den Bau von langen Dämmen, die Niederschlag länger in diesen Gebieten zurückhalten.
Tech-Bio-Lösung: Augmentierte Bindung von CO2 im Wasser
Wie schon beschrieben, nehmen Ozeane CO₂ auf. Dieser Prozess kann durch eine künstliche Anhebung des pH-Werts von Oberflächengewässern durch Zugabe von Alkali wie Kalk beschleunigt werden. Bringt man Kalk in Meeresgebieten mit starker Strömung aus, kann das Meer noch stärker CO₂ aufnehmen, die starke Strömung beschleunigt den Transport in tiefere Wasserschichten. Allerdings: die Kosten sind rießig, die langfristigen Folgen nicht absehbar.
Tech-Bio-Lösung: Pflanzenkohle
Verkohlt man organisches Material mit Hilfe von Hitze, Druck und unter Ausschluss von Sauerstoff, entsteht Pflanzenkohle. Als Pulver auf Äcker gestreut, dient es als Dünger und zur Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes im Boden. Laut SWP-Studie könnten bei einer globalen Anwendung mit dieser Technik pro Jahr 0,5 bis 2 Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre geholt werden. Langfristig gespeichert wird dieses CO₂ jedoch nur, wenn der zusätzliche Bodenkohlenstoff von funktionierenden Ökosystemen gebunden wird und bleibt.
Tech-Lösung: Künstliche Bäume
Die biologischen Prozesse echter Bäume lassen sich nachahmen. Die Prototypen der künstlichen Bäume haben oft eine Kunststoffmembran unter ihrer luftdurchlässigen Gesamtoberfläche, durch welche Luft strömt. Ist die Membran trocken, bindet sie das CO₂. Wird sie nass, gibt sie es ab. Wie bei anderen technischen Lösungen lautet dann die Frage, was mit dem CO₂ passiert. Unklar ist auch, ob und wie sich solche künstlichen Bäume bezahlbar produzieren lassen. Viele sagen daher: Lasst uns beim Original bleiben!
Tech-Lösung: Kalk-Soda-Verfahren
Hierbei handelt es sich um einen zyklischen Prozess aus vier in Reihe geschalteten chemischen Reaktionen. Er ähnelt der Funktionsweise der künstlichen Bäume. Die Technik ist wesentlich unkomplizierter, es wird allerdings ein Brennstoff eingesetzt. Grundlage ist ein altes Verfahren der technischen Chemie zur Herstellung von Ätzalkalien. Dabei werden aber wiederum Treibhausgase frei, die aufgefangen werden müssen. Diese Low-Tech-Lösung kommt also mit Nachteilen.
Tech-Lösung: Biomass with Carbon Capture and Storage/Utilization (BECCS/U)
Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine der wirtschaftlich sinnvollsten technischen Kombinationen zur Bindung von CO₂ aus der Atmosphäre. Hierbei wird zur Energieerzeugung in einem Biomassekraftwerk Biomasse verbrannt, welche in ihrem Wachstumszyklus zuvor CO₂ aus der Atmosphäre gebunden hat.
Das dabei entstehende CO₂ wird aufgefangen und gespeichert oder in einem weiteren Produktionsprozess weiterverwendet. Allerdings ist Biomasse in naher Zukunft wohl viel zu schade, um verbrannt zu werden. Wir werden vermutlich Holz und Reststoffe aus der Landwirtschaft eher stofflich nutzen wollen, also Häuser aus Holz bauen oder Kompost aus Bioabfall produzieren.
Tech-Lösung: Carbon Capture and Storage (CCS)
Das CO₂ einer Müllverbrennungsanlage in Oslo, Norwegen, wird zu 90 Prozent abgeschieden und im Boden verpresst. Weil dieses CO₂ unter anderem durch die Verbrennung von organischem Müll wie Bioabfall oder Baumwolle entsteht, hat die Anlage rechnerisch sogar eine negative Klimabilanz. Die Argumentation: Die Pflanzen entziehen der Atmosphäre beim Wachstum CO₂. Deren Einspeicherung reduziert also den Klimakiller.
Klingt gut, ist aber umstritten, und das gerade in Deutschland. Zum einen hat die Verpressung des CO₂ im Untergrund im Jahr 2010 an mehreren Orten der USA zu Erdbeben geführt, zum anderen kann das CO₂ auch langfristig wieder aus dem Untergrund entweichen. In Island setzt man daher auf einen chemischen Prozess, bei welchem CO₂ mit Basalt geologisch gebunden, also sozusagen versteinert, wird.
CO₂ ließe sich auch direkt der Umgebungsluft entziehen (Direkt Air Capture). Das kostet allerdings sehr viel Energie und Geld. Die CO₂-Luftfilteranlagen, das Verpressen oder die geologische Bindung von CO₂: Hier trifft technologischer Optimismus auf begrenzte Erfolge. Die Kosten der Anlagen sollen langfristig fallen. Doch darauf bauen sollten wir nicht.
Es gibt allerdings Industrieprozesse, die sich nicht oder kaum gänzlich dekarbonisieren lassen, wie etwa die Produktion von Zement. Hier spielt das Auffangen von CO₂ direkt im Produktionsprozess eine wichtige Rolle. Nur wohin damit? Die nächste Lösung hilft weiter.
Tech-Lösung: Carbon Capture and Utilization (CCU)
Ohne die Speicherung des CO₂ bleibt nur dessen Verwendung. Daraus lassen sich über Zwischenschritte etwa Leichtbauteile für Autos, Schuhsohlen, ja selbst latexfreie Kondome herstellen. Safer Sex, der auch das Klima schützt! Das Problem: CO₂ ist ein ziemlich faules Molekül. Es braucht viel Energie, um das Gas dazu zu bringen, sich an andere Moleküle zu binden. Zwar lässt sich das Gas auch unverändert nutzen um etwa Getränke sprudeln zu lassen oder Schaumstoffmatratzen auf zu pusten. Aber so viel Sprudel und Matratzen brauchen wir nicht.
Zusammenfassend
Die Ideen dafür, Emissionen wieder einzufangen, sind vielfältig. Genauso wie sich Emissionsquellen, technische Möglichkeiten, verfügbares Geld und gesellschaftliche Akzeptanz für Maßnahmen von Region zu Region unterscheiden. In ländlichen Gebieten existiert Raum für Aufforstung, in Industrieanlagen macht CCS Sinn. Es gibt nicht die eine richtige Maßnahme, sie funktionieren im Mix. Nur abwarten sollten wir nicht. Und vor allem: weniger Emissionen verursachen. Das ist mit Abstand die günstigste und sicherste aller Maßnahmen.
Text: Marius Hasenheit & Jan Göpel