Diese Programme sind die Software For Future

Wir achten auf Verbrauch und Antrieb von Autos. Wir ersetzen alte Heizungen. Verfettete, also übergroße, energiehungrige Software haben wir im Klimaschutz nicht auf dem Schirm. Software-Rebellen wollen das ändern.

Das Programm ist so unauffällig wie allgegenwärtig. Bei vielen Menschen hat es ein rotes Logo. Genutzt wird das Tool um PDFs zu öffnen und zu bearbeiten. Wer hingegen auf freie und Open-Source-Software steht, nutzt dafür zum Beispiel ›Okular‹. Hier ist der Code des Tools für alle einsehbar. Wer will kann die Software »forken«, also verändern und auch in eigener Version veröffentlichen. ›Okular‹ ist aber nicht nur eine freie und Open-Source, sondern auch die erste mit dem ›Blauen Engel‹ ausgezeichnete Software. »Das ist ein ziemlich großer Schritt und wie sind recht stolz darauf«, freut sich Dr. Joseph P. De Veaugh-Geiss, Mitarbeiter des Vereins ›KDE e.V.‹

KDE nennt sich eine Community, die solche Software entwickelt. Obwohl heute nur noch das Akronym verwendet wird, stand die Abkürzung früher für »K(ool) Desktop Environment«. Es ist normalerweise nicht sehr cool, sich selbst cool zu nennen. Doch KDE ist eine Ausnahme: Der Gründer und Tübinger Student Matthias Ettrich formulierte 1996 mit dem Projekttitel seine Absicht eine Desktop-Umgebung für ein Open-Source-System zu schaffen, mit dem auch Laien etwas anfangen können. Der gleichnamige Verein entstand ein Jahr später und vertritt seitdem die KDE-Community. De Veaugh-Geiss arbeitet seit 2021 für den Verein.

Das »Frei« in Freier und Open-Source-Software stellt die Benutzendenautonomie in den Vordergrund, während »Open-Source« auf Transparenz im Software-code ausgerichtet ist. Beide Aspekte werden durch die Softwarelizenzen gewährleistet.

Jaja, dein Gemüse. Aber was ist auf deinem Laptop?

Unternehmen, welche solche Software entwickeln sind sehr unterschiedlich aufgestellt, von NGOs und Stiftungen bis hin zu Firmen die durchaus auch einen Gewinn erzielen.

»Viele denken bei Nachhaltigkeit an ihr Bio-Gemüse, die wenigsten an ihre Software«, so der Projektmanager und ehemalige Wissenschaftler. »Zwar wurde zuletzt viel über den Energieverbrauch von Streaming berichtet, aber es geht um jegliche Software.« Tatsächlich werden Softwareangebote im Schnitt größer und mit immer mehr Funktionen ausgestattet. Das heißt sie verbrauchen mehr und mehr Speicherplatz und erfordern immer leistungsfähigere Hardware. Das Resultat: Smartphones oder Laptops funktionieren gut, werden aber unter der Last der »Bloatware« langsamer und langsamer. Das Argument der Software-Anbieter ist dann oft: Die Updates wären essentiell, insbesondere für die Sicherheit der Geräte.

»Bloatware« ist Software, die mit Funktionen überladen ist.

»Das ist Quatsch«, befindet De Veaugh-Geiss, »Das GNU/Linux-System ›Debian‹, von dem das alternative Betriebssystem ›Ubuntu‹ abgeleitet ist, bietet reine Sicherheitsupdates an. Die sind wichtig, aber klein und verlangsamen nichts.« Bei proprietärer, also kommerziell entwickelter Software hingegen gibt es nicht Möglichkeit lediglich das runterzuladen, worauf es ankommt. Wer Sicherheitupdates will, kriegt sie nur im Paket. Nicht selten haben die User:innen nach der Aktualisierung neue Software-Oberflächen vor sich und sind überfordert. Auf den Schnickschnack wollten viele wohl auch deshalb verzichten. Doch der Weg aus den verbreiteten Betriebssystemen und Software Umgebungen ist steinig: »Die Unternehmen haben die Nutzenden an sich gebunden, indem sie ihre Software und Plattformen so gestaltet haben, dass sie mit anderen Programmen nicht kompatibel sind«, kritisiert De Veaugh-Geiss. Dadurch wirkt es beinah unmöglich, auf Alternativen umzusteigen.

Bei kommerziell entwickelter Software sind die Quelltexte von Computerprogrammen unter Verschluss gehalten. Die Optionen sie wieder oder weiter zu verwenden sind ebenso eingeschränkt wie Änderungen oder Anpassungen.

GNU/Linux ist ein Begriff, der für zahlreiche Betriebssysteme verwendet wird. Das GNU-Projekt begann in den frühen 80er Jahren, während die Entwicklung des Linux-Kernels einige Jahre später begann. Zusammen bilden die beiden Projekte die Grundlage für viele Betriebssysteme mit freier und quelloffener Software, wie Debian, Ubuntu, Arch Linux und viele, viele andere.

Wer hingegen freie Betriebssysteme wie GNU/Linux nutzt hat die Wahl und kann sich entscheiden zwischen schlanker, pragmatischer Software oder Programmen mit vielen Funktionen. Stets auf Letzteres zu setzen, nach dem Motto »Das kann man vielleicht später noch einmal gebrauchen«, sei keine gute Idee, findet De Veaugh-Geiss: »Ein SUV hat auch mehr Features als ein kleineres Auto mit einem geringeren Verbrauch. Effizienz hat doch auch einen Wert!«

Dieser Text ist Teil unserer achten Ausgabe. In der geht es um Schmutz und Sauberkeit in allen gedanklichen Dimensionen, Phantasien, Putzkollektive und Lösungen für einem saubere Umwelt. Abgerundet wird das Ganze mit Tips für das Gute Leben, garniert mit einem Spritzer Rebellion.

Freie Open-Source-Software und Nachhaltigkeit passen für den Wissenschaftler zusammen wie Nullen und Einsen: »Beides fußt auf Transparenz und richtet sich nach den Nutzenden«, so der Daten-Aktivist. Für ihn sollten weder E-Mail-Dienste noch Soziale Netzwerke oder ein PDF-Reader die Nutzenden dazu zwingen, der Sammlung und Analyse ihrer persönlichen Daten zuzustimmen. »Dieses Ausspionieren der Nutzung dient letztendlich dem Ausspielen von Werbung – was Energie verbraucht, mittelfristig die Hardware verlangsamt ohne unbedingt den Nutzen der Software zu verbessern.«

Datengier frisst den Planeten auf

Diese Auswertung durch Software ist weit verbreitet: In einer durch das Umweltbundesamt beauftragten Studie wurden bekannte Text-Editoren untersucht. Im Fall eines sehr verbreiteten Produkts war der Energieverbrauch enorm, viermal höher als bei der Alternative. »In einer Präsentation der Ergebnisse spekulieren die Forscher:innen, dass eines Program durchgängig Daten an den Hersteller sendet«, so De Veaugh-Geiss. »In diesem Fall zahlen die Nutzer sogar für das Programm, das sie vermutlich analysiert und ihre Energierechnungen erhöht!«

Er betont, dass bei proprietärer Software nicht die User, sondern die Unternehmen die Softwareprodukte kontrollieren. »Bei unfreier Software haben die Nutzenden wenig bis gar kein Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Programme.« Im Gegensatz dazu kontrollieren und unterstützen bei Freier Software die Communities die Entwicklung ihrer Programme.

Herkunft von Alternativ-Programmen: Ehrenamt bis Milliarden-Unternehmen

Freie Open-Source-Desktop- oder Handy-Apps gibt es oft kostenlos – wobei De Veaugh Geiss betont, dass sich das im Englischen zweideutige »Free« auf die Freiheiten der Nutzenden bezieht, nicht auf einen möglichen Kaufpreis. Weiterentwickelt werden die Programme oft von ganzen Communities von Programmierer:innen – in ihrer Freizeit. Einige Entwickler:innen Freier Software verdienen damit jedoch Geld. ›Red Hat‹, ein US-amerikanischer Hersteller von Management- und Cloud-Programmen, beschäftigt über 20000 Mitarbeiter:innen und ist mehrere Milliarden US-Dollar wert.

Eine große Baustelle bleibt allerdings. Auch Freie Software wird kaum auf ihre Energiebilanz hin untersucht. De Veaugh-Geiss immerhin ist optimistisch gestimmt: »Der ›Blaue Engel‹ ist ein hervorragender Maßstab und er ist Teil des Global Ecolabelling Network. Somit machte ›Okular‹ mit der Auszeichnung einen kleinen Schritt für einen PDF-Reader, aber einen großen Schritt, um zu zeigen, wie unternehmerische Transparenz und Autonomie der Nutzer:innen in nachhaltiger Software aussehen können.«

Text: Marius Hasenheit

Bild: Christina Zhu

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