Gleichberechtigung, Umweltschutz, Hilfe für Minderheiten – Wie könnte man in Russland zu einer besseren Welt beitragen? Fünf junge Menschen erzählen von ihrer Freiwilligenarbeit und warum diese sich lohnt – trotz aller Widrigkeiten.
Die Zivilgesellschaft in Russland ist seit einigen Jahren stark unter Druck. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werden als ausländische Agenten diffamiert, ihre Räumlichkeiten unangekündigt durchsucht und Geld- oder sogar Haftstrafen angedroht. 2015 ist in Russland ein Gesetz in Kraft getreten, das erlaubt, ausländische Organisationen zu verbieten. Damit sollen “zerstörerische” Umtriebe gestoppt werden, heißt es im Text. Human Rights Watch und Amnesty International kritisierten die Maßnahme und teilten mit, “das drakonische Vorgehen ist ein weiterer Schritt normales Leben aus der Zivilgesellschaft zu drängen.“
Aleksei, 31 aus Pskow
„Wenn du etwas verändern willst, musst du bei dir selbst anfangen“
“Ich bin Künstler, weil ich das Bedürfnis verspüre, etwas zu tun. Ich weiß auch nicht, woher dieser Drang kommt.“ Leider gebe es jedoch auch lange Phasen in denen er nichts machen könne, weil ihm die Inspiration zum Zeichnen fehle, so Aleksei. Dann würde er einfach irgendwann damit anfangen etwas zu machen, ganz egal wo und ob die Idee gut oder schlecht ist. “Ich fange einfach an“, erklärt er. Und eben diese Situationen seien es, die am Ende in schöner, lustiger oder angriffslustiger Kunst enden. Manchmal, entwickle sich ein Projekt aus dem anderen. So war das auch im Fall der Initiative „Gute Taten“. Aleksei wollte mit seiner Kunst etwas verändern, wusste aber nicht so genau was. Freunde nahmen ihn mit in ein Waisenhaus in der Region Pskow, die zu den ärmsten Russlands gehört. „Ich erinnerte mich an Spiele aus meiner Kindheit und sagte zu den Kindern: lasst uns spielen“. Es sei ein positives Erlebnis für alle Beteiligten gewesen, erinnert er sich.
Ab diesem Zeitpunkt, wollte er Gutes tun und andere dazu animieren für die Schwachen in der Gesellschaft stark zu sein. Aus der Idee wurde ein paar Monate später im Dezember 2011 eine NGO namens „Kooperation der Guten Taten”. „Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und in unterschiedlichen Lebenslagen sind gekommen, um zu helfen.“ Erst hätten sie nur Waisenkindern geholfen. Sie haben Theateraufführungen organisiert, mit ihnen verschiedene Spiele gespielt und Sach- und Geldspenden gesammelt. „Alles was sich die Kinder wünschen, ist ein bisschen Aufmerksamkeit“, sagt Aleksei. So bringe man sie zum Lachen, wenigstens ab und zu. “Das genügt schon”, fügt er hinzu. Dann wuchs die Gruppe der Freiwilligen und sie begannen auch alten Menschen, die alleine sind, zu helfen. Zu allen möglichen Untersuchungen seien sie mit Ihnen gegangen. Schließlich hätten sie sonst kaum jemanden, der ihnen zuhört.
Irina, 22 aus St. Petersburg
“Es sind nicht die großen Gesten, die zählen. Sondern das, was wir täglich tun und entscheiden.“
Wegschauen und die Probleme unserer Erde ausblenden – darin sind viele junge Leute in Russland gut. So leicht dürfe man es sich aber nicht machen, findet Irina. „Ich stelle mich den Herausforderungen. Die „Generation Y“ sollte sich mehr für die sozialen Probleme im eigenen Land interessieren.” Armut und Klimawandel zum Beispiel, findet Irina. Wie solle man sich sonst seine eigene Meinung bilden, wenn man gar nicht Bescheid weiß, fragt sie. Seit über vier Jahren engagiert Irina sich aktiv bei Greenpeace in St. Petersburg. “Viele meiner Freunde finden es zwar toll, dass ich zu Greenpeace gegangen bin, können sich selbst aber nicht vorstellen, für den Schutz unserer Umwelt zu kämpfen”, erklärt sie.
Dabei sei es so einfach. Strom zu sparen und Nein zur Plastiktüte beim Einkauf zu sagen – es sind nicht die großen Gesten, die zählen. Sondern das, was wir täglich tun und entscheiden, erklärt Irina. Wirklich einschränken müsse sich dabei keiner. Schließlich würden wir alle Geld sparen, wenn wir weniger Strom verbrauchen und nicht so viel heizen. „Und wir werden fit, wenn wir mehr Fahrrad fahren. Und wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir den Müll trennen“, sagt Irina.
„Ich freue mich, wenn ich mit anderen Freiwilligen tolle Aktionen auf die Beine stellen kann“, so Irina. Einmal die Woche treffen sie sich im Greenpeace-Büro in St. Petersburg und reden über aktuelle Themen und Aktionen. Es seien circa 20 aktive Mitglieder und etwa 100 weitere Leute die bei einzelnen Projekten mithelfen. „Wenn wir zum Beispiel eine Aktion gegen das Bäumefällen machen wollen, planen wir gemeinsam alle notwendigen Schritte. Wie sollen die Flyer aussehen? Was für eine Strategie verfolgen wir in den sozialen Netzwerken? Wie können wir am meisten bewirken?
“Vielleicht denken manche, wir seien verbissen und reden nur darüber, wie wir die Welt verbessern können – aber so läuft das nicht bei uns. Wir haben zusammen immer viel Spaß und unternehmen auch als Freunde etwas gemeinsam.“ Bei Aktivitäten würden sie sich russlandweit mit anderen Greenpeace-Gruppen vernetzen, und es sei schön zu wissen, dass diese Zusammenarbeit problemlos klappt, Spaß macht und sich dabei oft sogar neue Freundschaften ergeben würden.
Andreas Rossbach berichtet aus Osteuropa über Politik, Wirtschaft und Soziales. Er glaubt, dass wir mehr konstruktiven Journalismus brauchen, schreibt gerne Reportagen und Longreads und experimentiert mit neuen Erzählformaten.
Beitragsbild: Hans Rusinek; Artikelbild: Andreas Rossbach
Interessante Links:
Unbekannte überfallen Greenpeace-AktivistInnen in Russland | Deutschlandfunk
Zivilgesellschaft unter Druck | Heinrich-Böll-Stiftung
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Sos-Kinderdörfer Kinder helfen Kindern
Freunde alter Menschen
Caritas: Angebote für alte Menschen