Warum Bernie Sanders kein Populist ist

Oktober 2016, Wahlen in den USA: Dies ist kein Text über den „Orange Baboon Who Doesn’t Pay Taxes“. Das Traurige an der Berichterstattung über den US-Wahlkampf ist ja, dass diese Person durch jeden populistischen Ausfall, mit Rassismus, Sexismus und Schwachsinn die Medien zu ihrer Geisel macht. So dominiert der, dessen Name nicht genannt werden soll, die öffentliche Wahrnehmung. Und genau das ist das Problem.

Wie man der Demokratie Respekt erweist
Jake Bucci - CC BY 2.0
Jake Bucci – CC BY 2.0

Deshalb geht es hier um etwas anderes: Nämlich darum, wie man der Demokratie Respekt erweist. Das tut man, indem man einerseits mit Leidenschaft für politische Positionen kämpft, andererseits aber die Sachzwänge der Demokratie nicht gegen sie ausspielt. Parlamentarische Arbeit ist kein einfaches Geschäft, sie erfordert Kompromisse.

Der Hass auf das Establishment

Bernie Sanders ist – für amerikanische Verhältnisse – ein weit links stehender Politiker. Er wurde manchmal mit dem Mann in Orange verglichen, weil er seine Erfolge einer starken Abneigung gegen das politische Establishment verdankt. Kaum jemand steht so sehr dafür wie Hillary Clinton. Es ist daher nicht überraschend, dass es Amerikaner gibt, die für einen Sozialisten wie Sanders und einen Fernsehunterhalter, der die Politik als Show versteht, eher Sympathien hegen als für eine erfahrene Politikerin wie Clinton. Ideologie tritt hier in den Hintergrund. Links-rechts ist nicht mehr die Leitunterscheidung, sondern wir-hier-unten gegen die-da-oben. Sanders‘ Argument, er sei der stärkere Kandidat gegen den Republikaner war deswegen durchaus schlüssig.

Sanders beweist durch Anstand, dass er kein Populist ist.

Nun ist aber Clinton die gewählte Kandidatin der Demokraten. Und Sanders beweist durch Anstand, dass er kein Populist ist. Seit Clintons Kür hat er seinen Anhängern nahegelegt, sich hinter die demokratische Kandidatin zu stellen. Und das trotz aller Differenzen und bei aller berechtigten Kritik an ihr: An der Nähe zur Wall Street, den interventionistischen Positionen in der Außenpolitik, dem Mangel an Konsistenz.

Aber darum geht es: Politische Entscheidungen müssen den Rahmen der Möglichkeiten einhalten. Und für einen amerikanischen Demokraten muss das Ziel sein, den Mann, dessen Kopf „looked like a pumpkin-colored balloon on a blue string“ vom weißen Haus fernzuhalten. Sanders hat nie einen Zweifel an diesem Ziel aufkommen lassen.

Konstruktive Systemkritik

Der Unterschied zwischen dem halbseidenen Hotelbaumeister und Sanders besteht eben darin, dass ersterer dem politischen System keinen Respekt entgegenbringt. Die amerikanische Demokratie könnte unter ihm ernsthaft Schaden nehmen, weil die Wut des Volkes von ihm mit immer absurderen, verächtlichen Positionen gefüttert wird.

Bernie Sanders hingegen tut das Gegenteil. Er versteht die Frustration der Abgehängten, der Jungen und der Progressiven, die sich vom Mainstream nicht vertreten fühlen. Aber er formte daraus eine echte politische Bewegung, die konstruktiv mit der Systemkritik umgeht. Es ist legitim und wichtig, Kritik am Establishment zu üben. Aber man muss auch Lösungen anzubieten haben.

Bernie Sanders ist wie Hillary Clinton Berufspolitiker. Er war Bürgermeister der Stadt Burlington in Vermont. Ab 1991 vertrat er den Staat 16 Jahre lang im Repräsentantenhaus, anschließend im Senat. Er hatte schon politische Ämter inne, bevor viele seiner jungen Unterstützer zur Welt kamen.

Und auch das beweist seinen Respekt für die politische Arbeit. In einem Parlament geht es oft um Detailfragen, um umständliches Vermitteln. Damit macht man keine Schlagzeilen, aber so funktioniert die Demokratie. Deshalb können wir nur weiter hoffen, dass kein egomanischer Selbstdarsteller die Wahl im November gewinnt. Ihm fehlen gleichermaßen politischer Anstand und Geradlinigkeit.

Es ist schade, dass auch Hillary letztere vermissen lässt.


Beitragsbild: Stephen Melkisethian, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0

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