Der menschliche Hufabdruck

In Berlin soll es pro Mensch eine Ratte geben. Glaubt man sofort. Kaum vorstellbar hingegen scheint, was Homo sapiens und sein tierischer Hofstaat global an Körpermasse bilden: Würde man alle Säugetiere der Welt gemeinsam auf eine Waage stellen, dann würden Menschen knapp 30 Prozent ausmachen, Nutztiere etwa 67 Prozent. Frei lebende Säugetiere bilden die verbleibenden 3 Prozent – Ratten mit eingerechnet.

Als Kuscheltiere sind Tiger, Bär und Elefant selbstverständlich. Ein plüschiges Sattelschwein oder ein flauschiges Holstein-Rind hätten es dagegen ungleich schwerer, unsere Liebe zu gewinnen. Dabei wäre das viel repräsentativer für die Artenvielfalt des Planeten. Laut Weltbiodiversitätsrat sind etwa eine Million von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit vom Aussterben bedroht. Insbesondere die Umwandlung von Wäldern und Feuchtgebieten in Weiden, Acker und Bauland verdrängt die wildlebende Fauna.

Vom Sumatra-Nashorn, das einst durch die tropischen Regenwälder Südostasiens stapfte, leben wohl keine 100 Exemplare mehr. Wo das Zwitschern und Kreischen in den Baumkronen verstummt, entstehen schon bald Futtermittel-Plantagen für den Hunger von Abermillionen Hühnern und Puten. Und diese Entwicklung wird umso deutlicher, schaut man auf die Gewichtsverteilung von Wildtieren und ihren vom Menschen gehaltenen Verwandten.

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Dieser Text ist Teil unserer siebten Ausgabe. In der geht es um Körper in all ihren Formen und Farben, das Recht auf Selbstbestimmung, den Körper als Waffe und warum spritzende Vulven eine politische Dimension haben.

Doch wir können das Blatt wenden, wenn auch nur in eingeschränktem Maße. Von den Bisons, die einst die Prärien Nordamerikas prägten, blieben Ende des 19. Jahrhunderts nur noch wenige Individuen. Heute gibt es dank Schutzgebieten immerhin wieder Zehntausende wilde Bisons. Der größere Teil des nordamerikanischen Graslands verschwindet allerdings nach wie vor in Kuh- und Pferdemägen. Hierzulande kam das Europäische Bison, auch Wisent genannt, übrigens bis ins frühe Mittelalter flächig vor. Heute leben einige Tausend Tiere im ostpolnischen Nationalpark Białowieża, wo 1952 ihre Vorfahren angesiedelt wurden. 2017 begab es sich, dass ein verirrter Wisentbulle, der jahrelang unfallfrei im äußersten Westen Polens lebte, nach Deutschland einwanderte. Zwei Stunden nach Grenzübertritt wurde das Tier von Jägern erschossen.

Gegen das Artensterben helfen die Klassiker des Umweltschutzes: politischer Druck, weniger oder kein Fleisch essen, ein schmaler C02-Fußabdruck und eine naturfreundliche Gestaltung von Garten und Hof.

Text: Marius Hasenheit & Jonathan Steinke
Bild: Anna Schuierer

Quellen

The biomass distribution on earth
Y Bar-On, R Phillips, R Milo. PNAS, 2018
http://tfmag.de/biodis | pnas.org

Harvesting the biosphere. What we have taken from nature
Vaclav Smil. MIT Press, Cambridge 2013Vaclav Smil. MIT Press, Cambridge 2013
tfmag.de/harbio | mitpress.mit.edu

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»Bisons« zwischen Baumstümpfen
transform-Autor Marius Hasenheit besuchte den Natio-
nalpark Białowieża und traf dort auf Wisente, Wölfe und
Waldarbeiter. Er ging der Frage nach, warum gerade dort
der Wald abgeholzt wird.
tfmag.de/bibau | transform-magazin.de

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