Die Illustration zeigt Fisch, Hummer, Knoblauch, Pilze und Seealgen. Illustration von Lisa Oki
Illustration von Lisa Oki

Was umami ist und wie du es kochst

Umami ist neben Foodtrend auch unsere fünfte Geschmacksrichtung. Doch wonach schmeckt umami eigentlich? Und wie kochen wir es? Eine Geschmacksfindung.

Dashi ist umami. Und mit Dashi hat umami angefangen, doch dazu später mehr. Krustenbraten ist umami. Anchovies sind umami. Getrocknete Tomaten im Pesto sind umami und der Parmesan darin auch. Die fünfte Geschmacksrichtung – neben süß, salzig, bitter und sauer – ist also nicht nur sprichwörtlich in aller Munde, sondern wortwörtlich! Trotzdem bleibt umami für viele von uns ein Zungenbrecher.

Das Wort umami setzt sich im Japanischen aus den Wörtern うまい [umai; dt. würzig, fleischig] und 味 [mi; dt. Geschmack] zusammen und lässt sich grob mit wohlschmeckend, herzhaft, fleischig, würzig übersetzten. Das heißt »würzig« ist nicht nur die Summe von verschiedenen Gewürzen und anderen Geschmacksgebern, sondern eine Geschmacksrichtung an sich.

Was schmecken wir eigentlich?

Die kurze Antwort: salzig, süß, sauer, bitter und natürlich umami. Die lange Antwort: Wir schmecken alles, was wir uns in dem Mund stecken, was wir mit unserer Zunge ablecken, genauer was mit unseren Geschmacksrezeptoren in Kontakt kommt. Alles ist dabei gar nicht so viel: Unser Mund ist durch persönliche und kulturelle Präferenzen sowie dem Eindruck unserer anderen Sinne (wie sieht es aus, wie riecht es) eine stark »kontrollierte Öffnung«, wie Volkskundler Utz Jeggle in »Der Kopf des Körpers« beschreibt. Der Geschmack ist ein Sonderfall unserer Sensorik. Im Gegensatz zum Hören, Sehen, Fühlen und Riechen erfahren wir unsere Umwelt bei Schmecken nicht nur als Betrachtende, sondern wir verleiben sie uns ein. Die Soziologin Eva Barlösius beschreibt Essen als
einzigen Wahrnehmungsprozess bei dem wir eins werden, mit dem, was wir wahrnehmen. Floskelhaft: Du bist, was du isst. Oder besser: wir werden, was wir essen.

Dieser Text ist erschienen in transform No. 9 – Juhu! Diese Welt geht unter (Bestellen)

Essen ist jedoch nicht nur Geschmackssache. Wir entscheiden mittels Geruch und Aussehen und fühlen mit unserem Mundraum die Texturen und Temperaturen von Lebensmitteln. Besonders schwer fällt es uns beim Essen, Geschmack und Geruch auseinander zu halten. Das liegt daran, dass wir dabei oral (im Mundraum) Geschmäcker und retronasal (im Rachenraum) Aromen wahrnehmen. So wird aus dem oralem Süß die retronasale Kirsche, aus bitter die Rauke, aus salzig das Meerwasser, aus sauer der Essig und aus umami der Shitakepilz. Bisher bekannt sind tatsächlich nur Geschmacksrezeptoren für diese fünf Geschmacksrichtungen.

Woher kommt umami?

Wie eingangs bemerkt, begann umami mit Dashi. Zumindest dessen Entdeckung durch den japanischen Chemiker Kikunae Ikeda. Dashi ist eine japanische Grundbrühe (vergleichbar mit Fisch-, Rinder- oder Gemüsebrühe im europäischen Raum), die als Basis für unterschiedlichste Gerichte dient. Aus Dashi entsteht Misosuppe und in Dashi schwimmen Ramen und Sobanudeln. Beim Schlürfen dieser Brühe aus Bonito-(Thunfisch)flocken und Seealgen fragte sich Ikeda Anfang des 20. Jahrhunderts, ob er nicht noch etwas anderes außer süß, salzig, bitter und sauer schmeckt. Aus reiner Seealgenbrühe synthetisierte er das Molekühl C5H9NO4 oder Glutaminsäure und stellte fest: Glutamate – die Ester und Salze der Glutaminsäure – schmecken umami!

Trotz Kikunae Idekas Entdeckung 1908 brauchte die westliche Wissenschaft bis 2001 um umami als fünfte Geschmacksdimension anzuerkennen. Damals bewies der Biologe Charles Zuker mit seinem Team, dass wir Menschen sowie andere Tiere Geschmacksrezeptoren haben, die auf Glutamate spezialisiert sind und somit umami wahrnehmen. Zuvor galten Zutaten, die umami schmecken eher als Geschmacksverstärker.

Das böse Glutamat

Mononatriumglutamat (MNG auch engl. bekannt MSG) ist das Salz der Glutaminsäure. Es ist in Reinform als weißes Pulver zum Würzen erhältlich und wird unter anderem als „Umami seasoning”. Das einzige Problem: MNG hat einen schlechten Ruf. In den 1960er-Jahren wurde MNG für das vermeintliche Chinarestaurant-Syndrom verantwortlich gemacht. MNG gewürztes Essen in asiatischen Restaurants sollte es ausgelöst haben und sich in Symptomen äußert wie: brennendes Empfinden im Nacken, Engegefühl in der Brust, Übelkeit und Schweißausbrüche. Zahlreiche Studien konnten MNG nicht als Auslöser bestätigen. Heute halten Gesundheitsbehörden wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder die Weltgesundheitsorganisation MNG für generell sicher. In professionellen Küchen gilt MNG allerdings heute noch als »billiger, eindimensionaler Ersatz« für das Schichten von Geschmack durch Kochtechnik und natürlichen Gewürzen, wie Autor Herold McGee beschreibt. Die Lebensmittelindustrie nutzt es um
Geschmackstiefe zu erzeugen.

Umami kochen

Ob nun mit MNG oder ohne, umami ist unsere fünfte Geschmacksdimension. Wie kochen wir so, dass es umami schmeckt? Ein guter Anfang sind »umami-haltige« Produkte. Tierisch umami sind Jakobsmuscheln, Garnelen, Krabben, Anchovies, Sardinen, Thunfisch, Hühnchen-, Schweinefleisch und Eigelb. Aus der Gemüsekiste geben Tamarillos, Pilze, Kartoffeln, Tomaten, Knoblauch, Zwiebeln, Karotten und natürlich Seealgen eine gute Grundlage. Gereifte und getrocknete Lebensmittel wie alte Hartkäse, Schinken, getrocknete Pilze und Tomaten oder Grüntee runden den umami Vorratsschrank ab. Wer kleine Umamikicks zum Würzen und selber machen will, kann sich an Pilzpulver (Pilze trocknen und pulverisieren) oder Seealgensalz (getrocknete Seealgen zerkleinern und mit Speisesalz vermengen) versuchen. Was die Garmethode angeht, gibt es keine eine, die besonders zukömmlich für einen umami Geschmack ist. Allerdings entfalten sich komplexe Geschmacke sich meistens durch Zeit, was zum Beispiel beim Schmoren der Fall ist. Das nächste Pilzgulasch wartet also nur darauf, gekocht zu werden.

Text: Lukas Blank

Illustration: Lisa Oki (Website / Instagram)

Zur Person

Lukas Blank mag Essen am liebsten, deswegen kocht er hauptberuflich. Seine vorausgehenden Studien des Journalismus und der Kulturanthropologie lassen ihn ab und an grübelnd am Herd stehen und zum Stift anstatt zum Pfannenwender greifen.

Media

Der Geschmack der kleinen Dinge: Ein Film von Slony Sow mit Gérard Depardieu, der nach körperlichen und seelischen Strapazen des ­Spitzenkochseins seine Heimat Frankreich verlässt und in Japan versucht, das Geheimnis des Geschmacks Umami zu lüften.

Quellen

Der Kopf des Körpers – Eine volkskundliche Anatomie: U. Jeggle, Mehrzwecktor Mund, 1986

Soziologie des Essens: E. Barlösius, 2016, 3. Auflage

On Food and Cooking:

H. McGee, Algen und die Ursprünge des Glutamats, 2016, 2. Auflage

Umami the Fifth Basic Taste: K. Kurihara, BioMed Research International, 2015

New Seasonings: K. Ikeda, Chemical Senses, 2002

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