Aktivistischer Widerstand ist meist anstrengend, ohne sichtbares Ende und oft frustrierend. Bringt’s trotzdem was? Ja, meint Aktivistin Hanna Poddig. Sie muss es wissen.
Hanna, du engagierst dich jetzt schon seit etwa 15 Jahren für eine bessere Welt. Hat’s was gebracht?
Hanna: Natürlich! Wir wissen nie wie die Welt aussehen würde ohne die Menschen, die für sie kämpfen. Klar, es schreit niemand direkt “Hurra”, weil irgendetwas Beschissenes nicht da ist. Jede Aktion ist wichtig. Alle abgeschalteten Atomkraftwerke sind ein Sieg. Ohne die Anti-Atombewegung würden die vermutlich heute noch laufen. Ähnlich wie bei der Anti-Gentechnik Bewegung. Das, was andere Leute getan haben, hat für mich oft auch persönlich einen Unterschied gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar.
Inwiefern?
Hanna: Ich hätte bestimmte Dinge nicht getan, wenn nicht auch andere Leute bestimmte Dinge getan hätten. Das hat mir gezeigt, dass wir auch anders miteinander umgehen können als es in den meisten menschlichen Beziehungen der Fall ist. Das gibt Hoffnung. So habe ich gelernt mich gegen das System zu wehren. Es sind ja nun Menschen, die diese Welt gestalten. Wenn wir hier auch nur kleine Wirkungen erzielen, dann können wir die Welt verändern.
Was war dein persönlicher Lieblingserfolg?
Hanna: Ein besonderer Erfolg ist für mich eine Blockade an einer deutschen Klopapierfabrik, die mit Raubbau-Zellstoff aus Brasilien produziert hat. Aus Imageschaden hat die Fabrik dann dort aufgehört und das Land wurde an die Communities zurückgegeben.
Und das nur, weil Menschen dort solidarisch zueinander gehalten haben. Das hat mir gezeigt, wir können mit wirklich wenigen Leuten eine schon sehr wichtige Wirkung erzielen. Ich denke, wenn du dir so sehr klare realpolitische Ziele setzt, kann es sehr befriedigend sein die zu erreichen. Auch, wenn sie auf das große ganze bezogen viel marginaler wirken als andere Erfolge.
Fossile Brennstoffe, Atomkraft, industrielle Landwirtschaft, Faschismus – in Europa gibt es zur Zeit viele Baustellen. Wo sollten sich mehr Menschen engagieren?
Hanna: Ich glaube jede*r muss davon überzeugt sein, wofür er oder sie sich einsetzt. Also sollte die Themenwahl nicht rein rational entschieden werden. Dann kommt dabei nichts raus. Es ist sehr wertvoll, wenn Leute das machen, was sie wirklich persönlich aufregt.
Im Anti-Atombereich wurdest du vom SPIEGEL mal als Vollzeitaktivistin bezeichnet – trifft es das?
Hanna: Naja, der Begriff ist etwas sperrig.„ Vollzeitaktivist*in“ klingt, als würde ich mich alle drei Tage irgendwo anketten.
Wie oft kettest du dich irgendwo an?
Hanna: Haha ja genau… Das letzte Mal, dass ich mich angekettet habe, ist tatsächlich ein paar Jahre her. Die letzte Ankett-Aktion, die ich unterstützt habe, war eine Antiatomaktion im letzten Herbst. Da haben wir einen Urantransport eingefangen. Der Zug hatte dann immerhin 16 Stunden Verspätung.
Mit so einer Aktion bist du auch in der Dokumentation „Projekt A“ zu sehen.
Hanna: Stimmt, aber das blendet natürlich vieles aus, was zu der Aktion dazu gehört.
Urantransporte fahren mal nur alle drei Wochen. Wir müssen vorher herausfinden, wann der nächste fährt. Das heißt wir gucken, wann die Schiffe im Hafen ankommen. Das müssen wir dann beobachten und checken, ob da auch wirklich Uran verladen wird. Und dann muss das in andere Städte gemeldet werden, wo geguckt wird, ob dieser dusselige Zug da durchfährt.
Wie viel Aufwand ist mit so einer Aktion verbunden?
Hanna: Das hängt dann schon davon ab. Manchmal ist es sehr spontan, weil wir z.B. auf Nachrichten aus der Regional-Zeitung reagieren. Aber meistens ist das eine Sache von Wochen bis Monaten. Es hängt sehr stark davon ab, ob du ein auf Widerstand gerichtetes Leben führst. Also ob du auch die nötige Infrastruktur hast. Du brauchst halt die Werkzeuge und die örtlichen Gegebenheiten dafür. Wenn ich noch nie ein Schweißgerät (zur Produktion eines Rohres zum Anketten) oder so in meiner Nähe hatte, dann kann ich auch nicht so schnell darauf reagieren, wenn ich denke, das ist jetzt der Moment mich irgendwo anzuketten. Teil der Aktionsvorbereitungszeit ist also auch der Aufbau von Infrastruktur, einer Aktionsplattform. Die müssen aufgebaut und in Stand gehalten werden…
Klingt nach einem stressigen Leben. Wie machst du das?
Hanna: Ich will nicht dauernd funktionieren. Es gibt schon Phasen, wo ich ein bisschen arbeitswütig bin. Aber insgesamt finde ich es schon wichtig, das zu machen, worauf ich Lust habe. Freunde und Freundinnen zu haben, die für mich Zeit haben ist ein großer Luxus.
Ich habe erst lernen müssen, wie viel es mir bedeutet, wenn Leute sich Zeit nehmen können für Dinge. Zum Beispiel, wenn wir für eine Holzheizung irgendwo Holz organisieren können. Bei einer 40 Stunden Woche ist das schon schwer. Es ist Luxus Leute zu haben, die sich spontan Zeit nehmen können. Das ermöglicht mir Freiheiten und Selbstbestimmung. Dass ich Leute in meinem Umfeld habe, die diesen Anspruch an Freiheit und Unabhängigkeit teilen. Denn das ist kein individuelles Ding. Freiheit wächst mit den Menschen. Je freier die Leute um mich herum, desto freier bin ich auch, weil das neue Möglichkeiten erschafft. Das musste ich erst lernen.
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