„Kein Job erfüllt alles“

Jana ist Aussteigerin und jetzt selbstständiger “Lifecoach”. Sie sprach mit unserer Redakteurin Jessica über den Stellenwert der Arbeit, “Geben und Nehmen” und ihren Way of Life.

 

Jana, kannst du uns ein bisschen was zu deinem Hintergrund erzählen?

Ich wurde in Schwerin geboren. Nach der Schule habe ich erstmal ein Volontariat in einer PR Agentur gemacht und habe dann im Bereich Marketing gearbeitet. Für mein Studium Advertising und Marketing Communications bin ich schließlich nach England gezogen und war dort auch einige Jahre in dem Feld tätig. Doch das, was ich bisher gemacht hatte, galt, wie man in England sagt, als “pink und fluffy”. Ich wollte mich herausfordern und meine analytischen Fähigkeiten stärken. Also wechselte ich in die Beratung zu PriceWaterhouse Coopers und wurde Wirtschaftsprüferin. Im Anschluss ging es weiter im Finanzwesen bei Experian. Das war mein letzter “richtiger” Job in England.

Ich habe meine Kollegen immer gerne gemocht, aber die Arbeit selber hat mich nicht erfüllt. Ich lebte von Wochenende zu Wochenende. Ich fand das Leben zu kurz dafür. Also habe ich angefangen, mir Fragen zu stellen. Ich habe mich entschieden, meine bisherige Karriere aufzugeben, wusste aber nicht, was ich sonst tun sollte.

Wie hast du herausgefunden, wie es weitergehen soll?

Ich habe mir einen Life Coach genommen, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben machen möchte. Währenddessen kam das Coaching selbst als Karrierepfad auf. Innerhalb von vier Tagen habe ich mich für eine Coachingausbildung entschieden und meine Domain angemeldet. Das war vor fünf Jahren. Seitdem bin ich selbstständig als Coach tätig.

Anfangs kamen meine Kunden hauptsächlich aus der Finanzbranche. Ich half Unternehmen dabei, ihre Mitarbeiter so einzusetzen, dass sie glücklich mit ihrer Arbeit sind.

Ein einschlägiges Ereignis in meinem Leben war dann ein Seminar bei einem amerikanischen Motivationstrainer und Peak Performance Coach. Ich wollte unbedingt für ihn und in dem Bereich arbeiten.

 

Jana_PortraitZwei Jahre nach meiner Selbstständigkeit ging dieser Wunsch in Erfüllung. Seitdem arbeite ich die Hälfte der Zeit für meine eigenen Kunden und die andere Hälfte der Zeit für ihn.

Da viele meiner Klienten und Mentoren aus den USA kommen, fühlte ich mich mit dem Thema Life Coaching in England isoliert. In den USA ist Life Style Design schon viel weiter. Das wollte ich ändern. Ich wollte in Europa die Community stärken. Das war der Grundstein für die Alive Konferenz. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich die Idee in die Realität umgesetzt habe.

Was hat dich daran gehindert, deine Idee sofort umzusetzen?

Ich hatte genügend Gründe es nicht zu tun. Keinen Doktortitel, kein Buch geschrieben und keine Millionen Twitter-Follower. Irgendwann hab ich gedacht “Fuck it, ich werde niemals bereit sein, also kann ich auch anfangen”. Ich habe zwei Freunde aus den USA, die sich bereits in der Szene etabliert haben, gefragt, ob sie mitmachen würden. Die sagten “Ja”. Das war der Startschuss.

Die erste Konferenz fand im letzten Jahr statt und war ein super Erfolg. Wir hatten 150 Gäste aus 19 Ländern.

Was wolltest du mit der Konferenz erreichen?

Ich wollte über alle Themen reden, die uns lebendig fühlen lassen: Relationship and Sex, Money and Business, Community and Spirituality, Health and Body, Adventure and Aspiration. Viele Konferenzen zum Thema Life Style sind sehr technik- oder businessfokussiert. Aber ich war der Meinung, um mich lebendig zu fühlen, geht es um mehr als nur Arbeit.

Auf der Konferenz haben wir Sprecher zu allen Themen. Unser Anspruch war es nicht nur zu inspirieren, sondern auch zu transformieren.

Das hat auch voll hingehauen. Manche Teilnehmer haben sehr krasse lebensverändernde Entscheidungen getroffen, wie zum Beispiel, ihre Beziehung zu beenden, ihren Job zu kündigen, eine Weltreise zu machen, sich tätowieren zu lassen. Die Liste geht weiter….Das konnten wir nicht einfach so stehen lassen. Wir planten sofort die nächste Konferenz.

Warum glaubst du, dass die Konferenz wichtig ist?

Ich habe den Glaubenssatz, dass man alles haben kann. In ALLEN Lebensbereichen. Das wollen wir anderen Menschen zeigen.

Wie geht es für dich weiter?

Ich habe mich letzten Sommer entschieden, England zu verlassen und meinen Traum verwirklicht, das Nomadenleben zu verfolgen. Ich habe mich von allem getrennt, was ich hatte. Außer einem Koffer, einem Rucksack und meinem Laptop. Ich habe die letzten zehn Monate in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt gewohnt.

Seit Ende Januar lebe ich auf Hawaii. Ich bleibe immer nur einen Monat irgendwo und dann zwinge ich mich, mich weiterzubewegen, um aus meiner Komfortzone herauszukommen und wieder neu zu beginnen. Diesmal gefällt es mir allerdings so gut, dass ich immer wieder zurückkomme. Gerade habe ich keinen Drang weiterzuziehen, aber auch kein Bedürfnis mich mit einer Wohnung niederzulassen, sondern da zu sein, wo sich mein Körper gut anfühlt.

Was tust du noch, um dich lebendig zu fühlen?

 Ich habe vor Kurzem eine Fallschirmsprungausbildung gemacht. Es gibt nichts, was mich so lebendig fühlen lässt.

Ich war 33 Jahre blond, dann hatte ich ein paar pinke Strähnen, dann vier Farben und nun ist mein ganzer Kopf bunt. Ich habe mich auch tätowieren lassen. Meine Freunde sagen, ich lebe ein Hippie-Dasein – wenn ich das höre, muss ich grinsen. Mein innerer Wandel zeigt sich auch in meinem Äußeren.

Ich lebe nach meinen Werten. Ich bin so stark ich selbst und versuche das natürlich auch auszudrücken. Ob das die Haare sind oder das Tattoo.

Um noch mal zu dem Thema Arbeit zu kommen: Warum hast du dich selbstständig gemacht?

Als ich angestellt war hatte ich einen sehr hohen Bedarf an Sicherheit und habe versucht in der Unternehmenswelt etwas zu finden, das zu mir passt. Aber ich habe irgendwie nur etwas gefunden, das nichts Halbes und nichts Ganzes war. Für meine Entwicklung war der Schritt in die Selbstständigkeit absolut notwendig. Auch um Selbstvertrauen zu finden.

Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mich von der Struktur in meinem Leben, die ich als notwendig und sicher erachtet habe, zu trennen. Ich habe mein Zuhause, meine Community, meine Freunde und eine lange Beziehung hinter mir gelassen. Jetzt bewege ich mich fast ausschließlich im unbekannten Bereich. Das hat mir unglaublich viel Lebensqualität, aber auch so viel Mut und Erfahrung gebracht, die ich nicht missen wollen würde.

Glaubst du, wir können uns auch als Angestellte verwirklichen?

Wenn Leute sich selbst verwirklich möchten, dann ist eine gewisse Maßschneiderung notwendig. Das ist oft schwierig in einem Unternehmen zu finden. Aber möglich.

Ich bin nicht gegen Arbeitsverhältnisse in der Form. Aber ich denke, wenn Leute aus ihrer Leidenschaft etwas machen wollen, dann passt das selten 100% mit dem Arbeitgeber zusammen.

Leider gehen viele Menschen heute aber so an ihre Karriereplanung heran. Sie möchten dieses und jenes in ihrem Job haben, eben 100%. Das gibt es aber meiner Erfahrung nach nur in sehr seltenen Fällen.

Wie können wir herausfinden, was die richtige Arbeit für uns ist?

Wenn ich Leute coache, dann schaue ich mir immer erstmal an, was sie vom Leben wollen. Wie wollen sie sich auf ihrer Arbeit fühlen? Was sind ihre Werte? Das ist der Ausgangspunkt. Die Basis. Die meisten Leute sind sich im Ansatz nicht bewusst, was sie wirklich wollen.

Viele Jobs zielen darauf ab, uns in einer gewissen Weise fühlen zu lassen. Durch den Job fühlen wir uns vielleicht aufgeweckt, aufgeregt, friedlich, ruhig, kreativ oder ausgedrückt. Es geht nicht um die Arbeit selbst, sondern um das Gefühl, das uns die Arbeit gibt.

Ich denke, es ist eine Illusion zu glauben, dass irgendein Job alles erfüllt. Diese Illusion tragen leider noch immer viele Leute mit sich herum.

Hat sich deiner Ansicht nach in den letzten Jahren zum Thema Arbeit etwas verändert?

Unsere Generation hat eher den Anspruch etwas selber zu kreieren. Wir sind uns bewusst, dass das nicht im 9-5 Job passiert. Aber es ist auch eine sehr starke Nehmer-Kultur präsent. Gerade in Deutschland. Unsere Generation, die Generation Y, vertritt häufig den Ansatz “Mir steht das und das zu”. Damit komme ich nicht klar.

Außerdem ist das Sicherheitsgefühl sehr stark ausgeprägt. Viele Leute glauben, dass ein geregeltes Einkommen sicherer ist als sich selber Arbeit zu kreieren und in voller Kontrolle zu sein. Das ist die Illusion. Du könntest ja trotzdem jeden Tag gefeuert werden.

Noch eine abschließende Frage: Was würdest du jemandem raten, der in seiner Arbeit festhängt?

Don’t fix it, if it ain’t broke. Wenn du glücklich bist, gibt es keinen Grund es zu verändern.

Man kann sich in seiner Arbeit mehr verwirklichen, indem man sich darüber klar wird, was Selbstverwirklichung für einen bedeutet und wie das für einen aussehen könnte. Das kann man dann entweder mit seinem Chef besprechen, oder es in seine Freizeit integrieren.

Ich würde mir immer die Frage stellen: Wie möchte ich mein Leben verbringen?

Und wie würdest du die Frage beantworten?

Ich würde genau so leben, wie ich lebe!

Danke für das tolle Gespräch!

Info zur Person: Jana Schuberth ist Mitbegründerin der Alive-Konferenz. Mit dem Untertitel „Connect, transform, take action” findet sie in diesem Jahr vom 28.-29. Mai zum zweiten Mal in Berlin statt. Die gebürtige Schwerinerin lebt derzeit auf Hawaii. Aber auch nur für kurze Zeit. Seit etwa einem Jahr wohnt sie für maximal einen Monat an einem festen Ort. Dann geht es weiter. Nicht weil es langweilig wird – sondern um ihre Komfortzone regelmäßig zu verlassen.

* Der Beitrag wurde zuerst auf Englisch auf You Change You veröffentlicht. *

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