Systemkritik mit dem Aktienfonds

Wenn kritische Stimmen sich raushalten, unterwirft sich in großen Konzernen alles dem Streben nach Gewinn. Doch wie Gehör finden? Aktien kaufen.

Kurt Bock hat einen harten Job. Nicht genug, dass er mit der BASF AG eines der größten Dax-Unternehmen leitet. Nebenbei soll er auch noch vermeiden, dass sein Unternehmen Ausbeutung, Armut und Tod von Menschen in fernen Ländern verschuldet. Sicher keine leichte Aufgabe für den Steuermann des weltgrößten Chemiekonzerns.

An diese lästigen Pflichten erinnerte 2015 auf der Hauptversammlung der BASF-AnlegerInnen eine Delegation aus Südafrika. 2012 wurden dort bei der Niederschlagung eines wilden Streiks 34 unterbezahlte Bergleute einer Platinmine erschossen. Hauptabnehmerin des Edelmetalls, das vor allem in Autokatalysatoren verbaut wird, war damals BASF. Die wollte von den mörderischen Vorgängen aber nichts hören und stritt jede Verantwortung für Zulieferer ab. Drei Jahre nach dem Blutbad fordert im pfälzischen Ludwigsburg ein südafrikanischer Bischof in Begleitung der Witwen zweier Getöteter Rechenschaft und Entschädigung vom BASF-Vorstand. Tausende BASF-AktionärInnen spenden Beifall, mit steinerner Miene lässt Konzernchef Bock das Plädoyer über sich ergehen.

Zum Protest geladen hatte der „Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre“, eine in Köln ansässige Initiative von SpielverderberInnen im Raubtierkapitalismus. Sie bilden bei über 30 Aktiengesellschaften in Deutschland die Vertretung für ethisch denkende AnlegerInnen. Kritische AktionärInnen, denen es nicht bloß um Rendite geht, sondern auch um nachhaltige Unternehmensführung – das klingt zunächst wie ein Motorradclub, der sich für Fahrradwege starkmacht. Ist das Gewissensberuhigung? Wer Aktien hält, finanziert doch die Schweinereien mit – und profitiert sogar davon! Markus Dufner, der Geschäftsführer des Dachverbands, sieht aber keinen grundsätzlichen Widerspruch. Er argumentiert, durch Beteiligungen lasse sich ja auch ein „gesellschaftlich wünschenswerter Beitrag“ leisten. Es gelte aber: „Wer in ein börsennotiertes Unternehmen investiert, sollte es zumindest in den Grundzügen kennen. Trotzdem stellen wir Kritischen Aktionäre immer wieder fest, dass viele Kleinaktionäre zu wenig oder gar nichts über fragwürdige Aktivitäten ihres Unternehmens wissen.“ Um das zu ändern, setzt die Initiative vor allem auf die große Bühne: die jährliche Hauptversammlung, zu der eine Aktiengesellschaft alle AnteilseignerInnen einladen muss.

Nicht wenige PrivatanlegerInnen erscheinen dort in erster Linie wegen der leckeren Häppchen. Insgesamt 1200 AnteilseignerInnen unterstützen aber mittlerweile die Kritik der Kritischen Aktionäre, indem sie ihr Stimm- und Rederecht regelmäßig an den Verein weiterdelegieren – und der nimmt dann selten ein Blatt vor den Mund: Markus Dufner, seine MitstreiterInnen sowie geladene Gäste von NGOs oder Gewerkschaften fordern dann Sozialstandards, Umweltschutz, den Schutz der Menschenrechte. Auch wenn sie auf der Rednerliste meist ganz hinten stehen.

„Oft werden Bank-Investitionen in und Beteiligungen an Unternehmen, die Rüstung, Minen und Streumunition produzieren, erst bekannt, nachdem wir bei Hauptversammlungen darauf hingewiesen haben und den Ausstieg fordern“, so Dufner. Wie zuletzt bei Daimler: Im April 2016 forderten die Kritischen Aktionäre den Stopp des zwar legalen, aber unverantwortlichen Exports militärischer Fahrzeuge in die Domänen solch lupenreiner Friedensstifter wie Saudi-Arabien und Pakistan. Daimler-Aufsichtsratschef Manfred Bischoff fiel dazu nur ein: Wenn ihnen die Produktpalette nicht passe, mögen die KritikerInnen doch ihre Aktien verkaufen.

Stimmt, es liegt ein Widerspruch darin, EntscheiderInnen mitzufinanzieren, um sie mit den Folgen ihrer fragwürdigen Unternehmensführung konfrontieren zu können. Wer aber soll das tun, wenn nicht die AktionärInnen, die diesen Widerspruch aushalten, und ihren Anspruch auf Kritik auch durchsetzen können? Image ist ein Kerngeschäft der Konzerne, Wortmeldungen der Kritischen Aktionäre sind daher alles andere als willkommen. Aber irgendwer muss ja die unbequemen Fragen stellen. Soweit kommt’s noch, so die Haltung der Kritischen Aktionäre, dass ihr ungestört eure Dividendenparty feiert!

 

Beitragsfoto von Chris Li via Unsplash

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