Wehrhaft im Büro

Überstunden, Unterbezahlung, Workaholic-Kollegen, moralisch fragwürdige Geschäfte, Status-Meetings, sinnlose Projekte. Ein täglicher Alptraum für viele. Zeit für Ideen – und Mut! Wir haben Rüstzeug mitgebracht.

 

Schwert_300ÜBERSTUNDEN

Es ist 18 Uhr und du willst dich endlich mit einem Freund treffen. Aber der Grund, warum du pünktlich von der Arbeit aufbrechen willst, ist eigentlich auch egal, denn du warst heute morgen pünktlich im Büro und wirst für 40 Stunden bezahlt – und nicht mehr! Aber dein Vorgesetzter sagt „Hey, wir müssen das bis morgen fertig haben und die anderen bleiben schließlich auch!“ Dein Gewissen wird gegen dich benutzt.

Was tun? Der Vorgesetzte setzt dich mit diesem bedeutenden Projekt unter Druck, aber eigentlich weißt du, dass es Bullshit ist. Hätte dein Chef oder Chefin selbstbewusst eine realistische Deadline verhandelt, gäbe es nun keinen Stress. Aber jetzt „ist es nun einmal wie es ist“. Die Kollegen bleiben und du willst nun wirklich kein schlechter „Teamplayer“ sein.

Die Lösung? Nimm’ sie alle mit! Sprich mit deinen Kollegen, wenn ihr das nicht ohnehin schon bei jeder Mittagspause tut, über die leidigen Überstunden. Seid ihr alle der gleichen Meinung? Gut, dann sprecht euren Vorgesetzten darauf an. Die Deadlines müssen realistischer werden, Überstunden dürfen nicht zur Regel werden. Und ihr als Arbeitnehmer habt durchaus klare Rechte.

Deine Rechte

Laut § 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) darf die tägliche Arbeitszeit beispielsweise 8 Stunden nicht überschreiten. Klar gibt es Ausnahmen und die Arbeitszeit darf auf 10 Stunden verlängert werden, aber nur wenn du innerhalb eines halben Jahres im Durchschnitt nicht auf eine Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden pro Woche kommst. Sich seiner Rechte bewusst zu werden, ist der erste Schritt in Richtung Wehrhaftigkeit. – Dies ist keine gültige Rechtsbelehrung.

 

Schild_300SCHLECHTE LÖHNE

Du arbeitest hart und dein Unternehmen ist längst raus aus der Krise? Dein Chef aber sagt, der Gürtel müsse weiterhin eng geschnallt bleiben? Gewaltige Investitionen stünden bevor, das Wachstum müsse gesichert werden? Alles Unsinn. Deine Arbeitskraft gibt es nicht zum Spartarif! Stell‘ deinen Chef zur Rede und erinnere ihn noch einmal daran, wie viel deine bzw. die Leistungen deiner Kollegen Anteil am Umsatz haben und dass ihr nicht im Freiwilligendienst seid. Wenn es hart wird, gilt auch hier: gemeinsam ist man stärker. Vereinigt euch.

Hilfe von außen

Notfalls gibt es auch Hilfe von außen, z.B. Gewerkschaften (z.B. FAU oder lokale Vereine zur Beratung von Arbeitnehmern (z.B. in Berlin oder Bremen)

Mindestlohn

Seit dem Jahreswechsel gibt es nun endlich den Mindestlohn. Gleichzeitig gibt es aber noch immer einige „krumme Geschichten“:. Viele Menschen (v.a. im Niedriglohnsektor) arbeiten bedeutend länger als sie es „auf dem Papier“ tun. Und so werden aus 8,50 Euro Mindestlohn ganz schnell 5,- Euro pro Stunde. Und dann gibt es da noch die Branchen mit Übergangsregelungen, die sich bisher nicht an den Mindestlohn halten müssen. Da nützt auch keine Arbeitszeitenkontrolle.

Solltest du Fragen zum Mindestlohn haben oder Verstöße melden wollen, rufe einfach die Mindestlohn-Hotline des DGB an: 0391 / 4088003 (Festnetz-Tarif)

Sicher. All die Gesetze und Paragraphen bringen in einer Diskussion mit dem Chef wenig, wenn dir daraufhin gekündigt wird. Verdeutliche dir selber, dass deine Ausbildung eine ganze Menge Zeit, Geld und Nerven gekostet hat. Und mache dem Vorgesetzten klar, was du dem Unternehmen beisteuerst, dass du gut eingearbeitet bist und selbstständig arbeitest.

 

Brustpanzer_300WORKAHOLIC-KOLLEGEN

Du arbeitest gut und selbstständig, aber jemand aus deinem Team arbeitet – am Ende auch noch unterbezahlt – bis zur Selbstaufgabe? Ihr geht pünktlich nach Hause und er lässt euch alle wie Drückeberger aussehen? Rede mit dieser Person, am besten im Team. Was denkt die sich? Dass sie alles alleine schaffen muss? Oder will sie am Ende doch nur den hohen Posten, die Anerkennung, das Geld? Sag ihr, dass Einzelkämpfer es ohnehin nie ganz nach oben schaffen, denn wer sollte dann all den Kleinkram erledigen, um den sie sich kümmert?

 

 

Helm_300MORALISCH FRAGWÜRDIGES GESCHÄFTSGEBAHREN

Auf einmal war da dieses Meeting. Es sollte um Strategie oder sowas gehen. Und dann waren da die Ideen des Chefs. Wörter wie „ausnutzen“, „Schlupflöcher“ und „Aktionärsinteressen“ fielen.

Du dachtest dir „kann man das machen?“ aber Kollegen oder Chef wiegelten ab: ja, das muss so sein, sonst „tut es die Konkurrenz. Wir müssen wachsen oder werden gemeinsam untergehen.“

Was tun? Keine leichte Entscheidung, mag man meinen. Hier gibt es zwei Wege: entweder du kündigst dich selbst und suchst dir einen ordentlichen Job. Weg 2: Du wirst perfide mit dem Risiko, später doch noch rauszufliegen. Du sabotierst den Laden. Sand im Getriebe. Arbeitest langsam oder vergisst auch mal was komplett.

Ab und zu mal „nein“ zu sagen und moralische Zweifel anzusprechen, ist natürlich der eleganteste Weg. So können Kollegen und Chefs ihr Verhalten reflektieren und jeder merkt, dass sie eventuell gar nicht allein sind mit ihren vielleicht ebenfalls vorhandenen Zweifeln.

 

 

Waffenrock_300STATUS MEETINGS

Jede Woche, ja stellenweise sogar jeden Tag, das Gleiche: eine Autoritätsperson ruft zu einer Sitzung. Alle müssen erscheinen und langweilende Updates über sich ergehen lassen. „Wir liegen gut im Plan, aber jetzt müssen wir nochmal richtig Gas geben!“ Soso, wie jeden Tag also.

Du könntest dem Zuständigen sagen, dass du deine Zeit sinnvoller verbringen kannst, als dir die immer gleichen Floskeln und Grabenkämpfe, die überflüssige Planung und die dadurch ausbleibende Kreativität immer wieder antun zu müssen. Du könntest aber auch einfach nicht mehr erscheinen.

 

 

Hand_300SINNLOSE PROJEKTE

Du gehst jeden Tag zur Arbeit, tust was du kannst aber insgeheim weißt du: Deine Arbeit ist schlicht sinnlos. Andere mögen umweltschädliche, ungesunde oder schlicht nutzlose Dinge produzieren und verkaufen. Aber bei dir ist es schlimmer: es wird nicht einmal etwas Schlechtes dabei rauskommen. Die Chefetage mag etwas beschlossen haben, was niemand anders als die Investoren beeindrucken soll oder sie haben sich schlicht nicht allzu viele Gedanken gemacht.

Und genau da kannst du ansetzen. Rechne den Chefs vor, was hier verplempert wird und leg’ noch einen drauf – erzähl ihnen, was du stattdessen tun könntest. Du willst ja nicht weg rationiert werden. Oder ist es dir etwa lieber, fünf Tage deiner Woche komplett zu verschwenden?

 

Text: Marius Hasenheit, Richard Gasch; Illustrationen: Tamara Bogatzki

 


 

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