Es gibt keinen vernünftigen Grund, einfach immer alles hinzunehmen, was Politik, Industrie und die Gesellschaft uns bieten. Damit niemand auf die Idee kommt, alllzu mächtig zu sein, können intelligente Formen des Widerstands nötig sein. So wirst du zum Teilzeit- Dissidenten.
Deinen Ansatzpunkt finden
Was ärgert dich am meisten? Wofür brennst du? Jeder Mensch hat einen wunden Punkt. Auch du! Etwas, das dir schon immer unter den Nägeln brennt. Etwas, für das du dich einsetzen möchtest. Raus mit der Sprache! Der Elefant im Raum trötet erst, wenn du ihm auf den Schwanz trittst.
Bilde Banden!
Du bist nicht allein und schon gar nicht machtlos.
Du möchtest dich für Klimaschutz und den Kohleausstieg engagieren? Dann geh zu den Ende-Gelände- Aktionen! Du magst keine Außenwerbung? Dann verschönere sie einfach. Gleichgesinnte werden deine Interventionen bemerken. Aber, wie die Ton Steine Scherben schon sangen: „Allein machen sie dich ein.“
Also such dir am besten Mitstreitende! Eine Gruppe für deine Aktionen zu bilden ist ein Drahtseilakt. Schließlich ist es nicht einfach, anschlussoffen zu bleiben, ohne naiv zu sein. Nicht jeder Mensch, der mal aus einer Weinlaune heraus sagt: „Da sollte man mal was machen“, macht wirklich etwas und ist verlässlich. Bleib aufmerksam und finde dein Team! Exklusivität und übertriebene Vorsicht sind unschön und – je nachdem, was du vorhast – sind sie womöglich gar nicht nötig.
Dein Maß an Engagement bestimmen
Es gibt viele Wege, etwas zu verändern und kein Weg ist unbedingt „effektiver“ als die anderen. Es braucht alle möglichen Ansätze, um die Gesellschaft positiv zu verändern. Wenn sich deine Freunde im Hinblick auf Protestformen wenig risikobereit zeigen, ist das völlig okay. Wichtig ist nur, dass du und deine Gruppe ähnliche Vorstellungen vom Aktivismus teilt – etwa, ob und wo ihr rechtliche Grauzonen betreten und freie Wochenenden „opfern“ wollt, und wann ihr Ruhezeiten braucht. Die Diskussion, welches nun das sinnvollere Engagement ist, kannst du dir gleich sparen. Ob ein Projekt mit Geflüchteten, Urban Gardening oder Demonstrieren gegen rechte Parteien: Kein Mensch kann alles auf einmal schaffen. Aber alle Formen des Sich-Einmischens sind gut – und nötig.
Blockadetraining & sonstige Vorbereitung
Doch völlig unvorbereitet solltest du vielleicht auch nicht an die Einmischerei herangehen. Nazis auf ihrem Marsch durch deine Stadt blockieren? Ein guter Plan, bei dem allerdings Fragen aufkommen können wie: Was zum Geier ist eine „Bezugsgruppe“? Welche Aufgaben hat ein „Aktionsrat“? Und, ein Favorit: „Kann man auch bei Regen blockieren?“ (Spoiler: Ja, das geht). Diese und andere Fragen lassen sich in „Blockadetrainings“ oder „Aktionsakademien“ beantworten, wie sie beispielsweise das Dortmunder „BlockaDO“-Bündnis oder attac anbieten.
Kenn deine Rechte
Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit – wir alle haben unsere Grundrechte. Aber das heißt nicht, dass man sich zu Hunderten aus Lust und Laune spontan vor den Bahnhof setzen darf. Demos müssen 48 Stunden vorher formlos beim Ordnungsamt oder der Polizei angemeldet werden. Ausnahmen: Eilversammlungen und Sofortversammlungen aus aktuellem Anlass, die auch kurzfristiger angemeldet werden können. Eine ausdrückliche, behördliche Genehmigung ist nicht erforderlich.
Dokumentation wo sinnvoll, Verschwiegenheit wo nötig
Wären die Aktionen der Aktivisten „Dies Irae“ nicht fotografiert worden, hätten statt Zehntausenden nur eine Handvoll Menschen überhaupt von den Kunstaktionen erfahren. Schließlich hingen die Plakate teilweise nur wenige Stunden. Es kann also sehr sinnvoll sein, Aktionen auf Film oder Foto festzuhalten und etwa via Social Media-Plattformen zu konservieren. Allzu unvorsichtig solltest du mit solchen Aufnahmen aber nicht umgehen. Gesichter und Nummernschilder haben nur in den seltensten Fällen etwas auf Fotos zu suchen. Mails lassen sich übrigens sehr einfach verschlüsseln, und es gibt einige sichere Kurznachrichtendienstleister.
Einfach machen
Klar wurden die meisten Protestformen schon einmal erprobt. Natürlich bist du nur Teil einer kleinen Gruppe. Dennoch machst du einen Unterschied. Selbst wenn du das hundertste Plakat klebst oder zum zwanzigsten Mal auf eine Demo gehst. Steter Tropfen höhlt den Stein. Wer gemeinsam etwas wuppt, erlebt nicht selten einen Moment der Selbstbefähigung. Rahm dir diesen Moment gedanklich ein, speicher ihn irgendwo tief in dir – er wird Gold wert sein, wenn mal irgendetwas nicht klappt.
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- Buch: “Direkte Aktion” von David Graeber
Dieser Artikel stammt aus der vierten transform Ausgabe zum Thema „Kinder“. Wir haben uns in dieser Ausgabe gefragt, ob wir wirklich Kinder brauchen, um glücklich sein zu können und was an dieser Idee vielleicht sogar schon falsch sein könnte. Hier kannst du sie bestellen.