Schlafhygiene: So schläfst du endlich gut

Verfolgt vom Tiger oder gefangen im tiefen Meer: Albträume sorgen für Angst und Unbehagen, manchmal sogar lange nach dem Aufwachen. Warum wir schreckliche Szenen träumen und was wir dagegen tun können, erklärt Traumforscherin Katharina Lüth.

transform: Viele Menschen haben mal einen schlechten Traum. Ab wann werden Albträume zu einem ernsten Problem?

Katharina Lüth: Das hängt vom Leidensdruck ab. Albträume werden zum Problem, wenn sie das Wachleben beeinträchtigen: Wenn man sich nicht richtig konzentrieren kann, sich nicht gut fühlt oder die Träume auf die Stimmung schlagen. Sobald Menschen stark leiden, spricht das für eine Albtraumstörung.

Warum entstehen Albträume?

Es gibt verschiedene Theorien. Eine Hypothese besagt, dass wir im Traum für das reale Leben üben. Beispielsweise flüchtest du im Traum vor einem Tiger, weil du das in der Realität nie trainieren kannst. Das gilt aber auch für soziale Konflikte: Wir üben im Traum unser Verhalten für bestimmte Situationen, um im Notfall unser Überleben zu sichern. Eine andere Erklärung basiert auf der Idee, dass wir durch Träume Emotionen verarbeiten und regulieren. Tritt dabei eine Über- oder Unterfunktion auf, entstehen Albträume. Noch eine andere These besagt, dass wir durch verrückte Träume lernen, mit neuem Input umzugehen.

Häufige und belastende Albträume gelten als Schlafstörung und damit als Krankheit. Etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen.

Wie viel haben Träume mit der Realität zu tun?

Meist träumen wir nicht noch mal das, was wir schon erlebt haben, aber etwas, das die grobe Richtung aufzeigt. Wenn man zum Beispiel einen sozialen Konflikt immer wieder durchspielt, zeigt der Traum: Da ist ein Problem, das eine Lösung braucht. Bei Menschen mit traumatischen Erlebnissen kommt es vor, dass sie immer wieder davon träumen, weil es noch nicht verarbeitet ist.

Und wie entstehen die total abgedrehten Träume, die gar keinen Bezug zum Alltag haben?

Manchmal verarbeiten wir nur kleine Teile aus dem Alltag. Wenn ich zum Beispiel träume, dass ich bestohlen werde, dann habe ich vielleicht vor drei Tagen mit jemandem geredet, dessen Portemonnaie geklaut wurde. Das Gespräch habe ich aber schon längst vergessen. Im Traum mischt sich dann ein Fünkchen von dem Thema mit einer Menge Kreativität. Ein anderes Beispiel: Verfolgt zu werden oder den Zug zu verpassen träumen Personen oft, wenn eine wichtige Abgabe bevorsteht.

Was sind denn die Auslöser für Albträume?

Die Nummer eins unter den Auslösern ist Stress. Menschen mit gelegentlichen Albträumen haben in stressigen Phasen besonders viele Albträume. Aber auch Medikamente können Albträume auslösen, paradoxerweise vor allem Schlafmittel. Zudem haben Traumata, Genetik oder bestimmte Charaktereigenschaften einen Einfluss. Sensible Menschen, die sich von Filmen oder Geschichten mitreißen lassen und kreativ sind oder aber Personen, die zu Neurotizismus neigen, haben häufiger Albträume. Oft ist der Auslöser eine Kombination aus Veranlagung und Stress.

Dieser Text ist Teil unserer achten Ausgabe. In der geht es um Schmutz und Sauberkeit in allen gedanklichen Dimensionen, Phantasien, Putzkollektive und Lösungen für einem saubere Umwelt. Abgerundet wird das Ganze mit Tips für das Gute Leben, garniert mit einem Spritzer Rebellion.

Neurotizismus
In der Psychologie eine der fünf Persönlichkeitsfaktoren und beschreibt, wie emotional stabil beziehungsweise labil Menschen sind. Zudem wird die Eigenschaft assoziiert mit Neigungen zu Ängstlichkeit und Traurigkeit.

Stecken hinter Albträumen immer ernste Probleme?

Es gibt zwar eine Korrelation zwischen Albträumen und Depressionen oder Angststörungen. Aber es kann auch sein, dass jemand nur Albträume als isoliertes Symptom hat.

Was können Betroffene gegen Albträume tun?

Es gibt drei Möglichkeiten: Eine Option ist » luzides Träumen«. Das bedeutet zu merken, dass man träumt. Manche Menschen können dann die Kontrolle bekommen, in den Traum eingreifen und eine schöne Geschichte daraus machen – das klappt aber nicht bei allen Menschen. Dann gibt es noch die Expositionstherapie. Dabei stellt man sich den Traum immer wieder vor, bis er weniger negative Belastungen auslöst. Das Dritte ist die »Imagery Rehearsal Therapy«, also Imaginationsübungstherapie. Dabei wandelt man einen Albtraum in eine schöne Geschichte um und übt diese ein.

Imagery Rehearsal Therapy
Beschreibt eine Methode um Albträume loszuwerden. Sie erfolgt in drei Schritten: Betroff ene schreiben einen Albtraum auf, formulieren die Geschichte in eine schöne Erzählung um und stellen sich diese zwei Wochen lang jeden Tag für rund zehn Minuten vor. Dadurch trainiert das Gehirn, schöne Geschichten zu konstruieren und bei Angst nach Lösungen zu suchen.

Kann man diese Übungen alleine machen?

Luzides Träumen kann man alleine lernen und auch die Imagery Rehearsal Therapy kann jeder zu Hause machen. Man sollte aber keine der drei Methoden allein angehen, wenn man eine Posttraumatische Belastungsstörung hat.

Ist es gefährlich, Träume zu beeinflussen?

Es gibt keine negativen Berichte über die Albtraumtherapie. Beim luziden Träumen gibt es die Befürchtung, dass Menschen dadurch nur noch im Traum leben und im Extremfall den Bezug zur Realität verlieren. Darüber gibt es aber weder Berichte noch wissenschaftliche Belege.

Warum nutzen nur wenige Menschen diese Methoden?

Ich vermute, dass viele Menschen ihren Einfluss unterschätzen. Oft arbeiten Betroffene mit Entspannungsübungen. Das kann das Stresslevel reduzieren, hilft aber meist nicht, die Albträume komplett loszuwerden. Viele Menschen wissen nicht, dass es andere Methoden gegen Albträume gibt und kommen nicht auf die Idee, dass sie allein durch Vorstellungskraft und Gedanken ihre Träume verändern können.

Text: Julia Schächtele

Illustration: Judith Neuling

Tipps für Schlafhygiene

  1. Bett-Hoheit – Das Bett, wenn möglich sogar den gesamten Raum, nur zum Schlafen nutzen (und für Sex). Aber nicht für: Rumsitzen, Netflixen, Arbeiten.
  2. Zeit – Zur gleichen Zeit aufstehen und einschlafen hilft, einen Schlafrhythmus zu finden. Dabei ist es für die Schlafqualität egal, ob du jeden Tag schon um 6 Uhr fit bist oder erst um 12 Uhr aus dem Bett hüpfst.
  3. Rituale – Zähneputzen, Kerze anzünden, Tage- buch schreiben – Hauptsache kurz vor dem Schlafen passiert immer das gleiche. Dann weiß der Körper: Jetzt geht’s ins Bett.
  4. Kaffee und Schnaps – Wer Spaß am Schlafen haben will, trinkt seinen Kaffee vor 16 Uhr und Alkohol am besten gar nicht. Beides sorgt für unruhigen Schlaf.
  5. Essen – Kleine Snacks sind auch spät abends okay. Pommes mit Falafel dagegen nicht.
  6. Stille Nacht – Wenig Geräusche ist gleich guter Schlaf – zur Not auch mit Ohrstöpseln.
  7. Keine heiße Nacht – Wer gut schlafen will, dreht lieber die Heizung runter. 16 bis 18 Grad Raumtemperatur sind laut Forschung optimal.

Zur Person

Interviewpartner:in
Katharina Lüth forscht und promoviert an der Universität Osnabrück zum Thema Schlaf und Albträume. Seit 2018 zählt sie zum Leitungsteam der Initiative Sleep & Dream. Aktuell testet sie, wie sich Schlaf per App verbessern lässt.

Weiterlesen

Warum wir schlafen
Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens.
Albrecht Vorster, Heyne Verlag, 2019

Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
Die DGSM befasst mit der Erforschung des Schlafes und seiner Störungen sowie mit der klinischen Diagnostik und Therapie von Schlaf-Wach-Störungen.
dgsm.de

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