Lösungen für die Klimakrise

„Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen!“. Die Autor:innen dieses Buches legen gleich mehrere Pläne auf den Tisch. Dafür bohrten sie die richtig dicken Bretter: Es geht ihnen um die Klimakrise, soziale Gerechtigkeit, entfesselte Märkte und die Digitalisierung.

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Ausschnitt des Plans gegen die Klimakrise und stellen der Autorin Sarah Hadj Ammar ein paar Fragen.

Gleichzeitig mit der Einführung der CO2-Abgabe werden wir auch aufhören, schädliches Handeln sowohl durch große Konzerne als auch durch jeden Einzelnen in irgendeiner Form zu unterstützen. Bisher werden die Verunreinigung von Wasser, Boden und Luft und die Zerstörung der biologischen Vielfalt mitfinanziert. Unter diese Generosität ziehen wir jetzt den Schlussstrich. Alle umweltschädlichen, nicht nachhaltigen Subventionen werden 2020 aufgekündigt. Sie verzerren den Wettbewerb zulasten umweltfreundlicher Produkte und verschaffen der Zerstörung unserer eigenen Lebensgrundlage einen Marktvorteil.

Sofortiges Ende umweltschädlicher Subventionen

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Allein 2012 wurden in Deutschland 57 Milliarden Euro auf umweltschädliche Subventionen verwendet – also für Produktionsweisen, die Schäden an Umwelt und Gesundheit verursachen, deren Beseitigung wiederum bezahlt werden muss. Jetzt wehren wir uns dagegen, Kohleabbau, Flugverkehr und die Zerstörung von Lebensraum weiter profitabel zu machen. Auch die Neuerschließung von Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsflächen wird nicht weiter bezuschusst. Subventionen erhalten hingegen regionale, biologisch angebaute, pflanzliche Produkte, damit sie für alle Konsument*innen bezahlbar werden.

Verbot von Inlandflügen und Kurzstreckenflügen bis 1000 km

Wer lieber abhebt, statt auf dem Boden zu bleiben, setzt ein deutliches Signal. Das Statistische Bundesamt zählte im Jahr 2018 im Schnitt über 850 Inlandsflüge pro Tag. Allein aus Berlin flogen 2018 über vier Millionen Passagiere zu anderen Zielen innerhalb Deutschlands. Wer heutzutage noch eine Stunde Zeitersparnis durch einen Flug dem Schutz unserer Zukunft vorzieht, handelt schlichtweg egoistisch. Bei einem Flug wird pro Person und Kilometer mehr als der fünffache CO2-Ausstoß verursacht wie bei einer Bahnfahrt.52 Zusätzlich zu CO2 werden andere Schadstoffe ausgestoßen, die sich in größerer Höhe in Wolken ansammeln und die Erde zusätzlich aufheizen. Kurzstrecken sind aufgrund des hohen Spritverbrauchs beim Start auf den einzelnen Kilometer heruntergerechnet besonders schädlich.

Der Massenflugverkehr bleibt nicht ohne Folgen: Es wird geschätzt, dass allein infolge des Flugverkehrs jährlich die achtfache Fläche Hamburgs an Meereis in der Arktis wegschmilzt. Wäre der Luftverkehrssektor ein Staat, wäre er derjenige mit dem sechsthöchsten CO2-Ausstoß der Welt. Das Verbot von Inlands- und Kurzstreckenflügen ist ein erster Schritt, um das zu ändern.

Verringerung des Autoverkehrs und Vorbereitungen für eine autofreie Zukunft

Es ist höchste Zeit umzudenken: Große, schwere Autos sind nicht länger Statussymbole, sondern Ausdruck von Ignoranz. Der Verkehrssektor emittiert in Deutschland 165 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. 95 Prozent davon stammen vom Straßenverkehr. Der motorisierte Individualverkehr verursachte 2016 mit fast einer Milliarde Personenkilometern die vierfache Verkehrsleistung des Sektors des öffentlichen Verkehrs. Zeit, das zu ändern: Als Erstes muss die Neuzulassung von SUVs gestoppt werden.

Ein SUV setzt doppelt so viel CO2 frei wie ein Kompaktwagen, verbraucht weitaus mehr Treibstoff als vergleichbare Autos, seine Herstellung benötigt doppelt so viel Wasser und das Doppelte an Material, und das Metallmonstrum nimmt zusätzlich mehr Platz in Anspruch. Wir brauchen eine drastische CO2-Grenzwertsenkung und Gewichtsgrenzen für alle Autos. Zeit, dass sich die Autos an die Städte und Menschen anpassen und einfach draußen bleiben.

Wir wollen keine autofreundlichen Städte, sondern Städte, in denen man endlich auch wieder leben kann. Mit Parks, Rad und Spazierwegen, Gärten und Seen statt Parkplätzen. Auf dem Weg zu diesem Ziel muss ein Tempolimit von 30 km/h in allen Städten eingeführt werden. Gleichzeitig wird der städtische öffentliche Personennahverkehr kostenlos werden. Außerhalb der Städte heißt es bisher: blinken, linke Spur, Vollgas.

Endlich Freiheit. Dass wir uns in einem aufgemotzten Metallkasten bei potenziell tödlicher Geschwindigkeit frei fühlen sollen, ist eine Idee, die wir nicht länger teilen sollten. Zumal diese vermeintliche Freiheit viele Menschen ihr Leben kostet. In Deutschland sterben pro Tag neun Menschen bei Verkehrsunfällen. Weltweit kosten diese jährlich über 1,3 Millionen Menschen das Leben. Hinzu kommen allein in Deutschland schätzungsweise 13 000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubbelastung.

Damit muss Schluss sein. Höheres Tempo heißt höherer Luftwiderstand. Der wiederum bedeutet: höhere Emissionen. Ein Tempolimit von 120 km/h wird Emissionen auf deutschen Autobahnen um neun Prozent und die Zahl der Unfalltoten um über 20 Prozent senken. Nicht die E-Autos sind die Zukunft. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ideologie, man könne allein durch neuere, feinere Technologie die Schäden, die durch den Einsatz von Technik entstehen würden, beseitigen, niemals funktioniert: Die Produktion eines Elektroautos ist bekanntlich so aufwendig und verbraucht so viele Ressourcen, dass der Effekt des geringeren CO2-Ausstoßes eines solchen Autos fast vollständig wieder verschwindet. Unsere Zukunft ist daher weitgehend autofrei.

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Wer das für utopisch und gänzlich unrealistisch hält, der*die blicke auf das weitgehend autofreie Kopenhagen und sei daran erinnert, dass in Deutschland (und anderen Ländern) 1973 ein Sonntagsfahrverbot ohne Murren von der Bevölkerung akzeptiert, teilweise sogar als befreiend erlebt wurde. Damals ging es darum, die wirtschaftlichen Folgen des dramatischen Anstieges des Ölpreises zu lindern. Diesmal steht ungleich mehr auf dem Spiel. Um längerfristig den Individualverkehr ganz beseitigen zu können, sind Investitionen in den öffentlichen Verkehr erforderlich. Bus und Bahn müssen flächendeckend die bessere Option darstellen. Autofreie Städte durchzusetzen ist auch eine Frage des Narrativs: Wie viel schöner, entspannter, gesünder wäre ein Leben in Städten ohne Autos! Wie viele Menschen sehnen sich bereits nach Entschleunigung ihres Alltags.

tf: Auch der Vizepräsident und EU-Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans forderte ein Verbot von Kurzstreckenflügen. Ob das Verbot wohl bald kommt?

Sarah Hadj Ammar: Das glaube ich nicht. Dabei wäre das gar nicht so schwierig: Natürlich müssten wir parallel den Bahnverkehr ausbauen, für alle bezahlbar machen usw. Und wir müssten uns Gedanken darüber machen, wie wir eigentlich Mobilität denken: Welche Reisen sind wirklich notwendig? Ein Verbot von Kurzstreckenflügen würde unseren Lebensstil sicher verändern – aber aus meiner Sicht nicht zum Negativen. Eher im Gegenteil. Auf Vorschläge von Maßnahmen reagieren bestimmte politische Kräfte und Teile der Bevölkerung mit großer Empörung und schaffen es damit allzu häufig den Diskurs zu bestimmen. Dabei sind doch gerade ordnungspolitische Maßnahmen und auch Verbote Ausdruck einer funktionierenden Politik und Demokratie. Dass der gesellschaftliche Diskurs sich so verschiebt, dass solche Maßnahmen für das Klima umgesetzt werden, müssen wir dieses Jahr unbedingt schaffen. Denn: Wir haben nicht mehr viel Zeit. Also: Wir arbeiten daran. Gerne auch mit Unterstützung von Menschen wie Frans Timmermans.

tf: Wie wollt ihr von Seiten der Generationsstiftung weiterhin gegen die Klimakrise angehen? Trefft ihr PolitkerInnen, schreibt neue Bücher oder blockiert ihr Tagebaue?

Sarah Hadj Ammar: Wir kombinieren all diese Möglichkeiten und ersetzen das „oder“ durch ein „und“. Mit „Ihr habt keinen Plan“ sind wir auch noch die nächsten Monate auf Lesetour. Außerdem haben wir Termine in verschiedenen Ministerien, um dort unsere Forderungen zu diskutieren. Gleichzeitig ist uns aber klar, dass das nicht den nötigen politischen Druck aufbauen wird. Wir halten Demonstrationen, andere Protestformen und auch zivilen Ungehorsam für notwendig, um politisches Handeln angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe zu erzwingen. Solche Aktionen sind in Planung und wir werden uns daran beteiligen. Denn, ganz einfach: Die unterschiedlichen Akteur*innen in der Klimabewegung müssen alle Register ziehen, um das Ruder noch herumzureißen.

tf: In Sachen Kohlenstoffdioxid gibt es Tagebau, bei der Internationale Automobil-Ausstellung wurde auf die Verkehrswende aufmerksam gemacht – wie ließe sich der Abbau umweltschädlicher Subventionen auf die Agenda hieven?

Sarah Hadj Ammar: Bei den umweltschädlichen Subventionen wird die Absurdität unseres bisherigen Handelns in besonderer Weise deutlich. Sie sorgen dafür, dass zukunftsfähiges Verhalten eine ständige, aufwändige Rebellion bleibt – während zerstörerische Verhaltensweisen der Standard bleiben. Überall, wo wir die Gelegenheit bekommen, weisen wir besonders darauf hin und stellen unsere Forderung nach der Abschaffung solcher Subventionen. Und dann ist auch die Resonanz entsprechend. Schließlich appelliert die Politik beim Klimaschutz vor allem an die Verbraucher*innen – und es macht es ihnen dann zusätzlich schwer, zukunftsverträglich zu handeln. Es müssen einfach noch mehr Menschen die Forderung aufnehmen – und dann stetig Raum dafür schaffen. Nur so können wir diesen Aspekt auf die politische Tagesordnung setzen.

tf: Was wolltest du schon immer mal gefragt werden? Was kommt in anderen Interviews zu kurz?

Sarah Hadj Ammar: In 20 oder 30 Jahren möchte ich von der nachfolgenden Generation gefragt werden: „Und wie hat es eure Generation dann geschafft, die ganzen alten, verkrusteten Strukturen aufzubrechen und den turnaround zu schaffen?“. Vielleicht ein bisschen pathetisch, aber dann hätten wir es tatsächlich geschafft.

Die Autorin Sarah Hadj Ammar ist Teil der Generationsstiftung. Die Stiftung sieht sich als Interessenvertretung der kommenden Generationen. Für eine generationengerechte Zukunft bringen sie junge und alte Menschen zusammen, entwickeln Lösungen und setzen sie auf die politische Agenda.

Illustration: Aelfleda Clackson ist eine Illustratorin aus Münster. Wenn sie gerade nicht am Schreibtisch sitzt, ist sie wahrscheinlich im Café und zeichnet heimlich die anderen Gäste.

Das Buch ist direkt via der Stiftung erhältlich. Die Autor:innen gehen in den kommenden Monaten auf Lesetour.

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