Techno und alles, was kreucht und fleucht

Techno als Umweltbildung. Biologie kann auch amüsant sein. Dominik Eulberg beweist das seit einigen Jahren – zuletzt mit seinem neuen Buch „Mikroorgasmen“.

Wir erreichen ihn in seinem heimischen Studio in der Nähe der Westerwalder Seenplatte. Im Westerwald wuchs er auch auf, bevor er Ökologie und Naturschutz in Bonn studierte und anschließend in Nationalparken arbeitete. 2003 der Durchbruch seiner Musikkarriere: Auflegen, Clubs, Partys. Dominik Eulberg zog nach Hamburg.

„Die Stadt nervte mich auf Dauer. Ich wollte wieder aufs Land. Dieses Haus in meiner alten Heimat fand ich durch eine gute Portion Glück. Jetzt lebe ich Mitten in der Natur und bin von vielen Vögeln umgeben.“

Und dort schreibt es sich besonders gut – oder sorgte die Pandemie für Muße?

An dem Buch schrieb ich schon länger, sieben Jahre glaube ich, weil ich den Bedarf für spannende, kurzweilige Bücher über unsere heimische Natur verspürte. Bücher bei denen den man die Wissenschaftskommunikation lustvoll und ganzheitlich angeht. Unsicher war ich, bei wem ich das veröffentlichen möchte.

Wie kommt‘s? Verlagshäuser gibt’s doch genug.

Viele fragten sich: Ist das ein Sachbuch oder Belletristik? Man hat versucht, mich in eine Form zu pressen. Ein großer Verlag sagte: „Dieser Freizeittrend Natur ist ja gerade sehr in Mode“. Da schrillten natürlich meine Alarmglocken. Natur ist kein Trend, sondern unsere Lebensversicherung. Ich will ja nicht mit einem Trend einfach nur Geld verdienen. Würde es nur um Kohle gehen, würde ich mit Kryptowährung handeln oder so einen Kram. Irgendwann fand ich einen Verlag, der mich machen ließ, bei dem ich ich sein durfte.

Wozu braucht es beim Verfassen eines unterhaltsamen Biologiebuches Freiheit?

Ich wollte ein holistisches Bild von Flora, Fauna und Pilzen malen. Insekten und Vögel sind meine Lieblinge, das merkt man schon, aber dennoch: Ich brauchte den Raum für einen taxonomischen Rundumschlag. Auch wollte ich die Arten nicht einfach beschreiben, sondern vom Glück erzählen. Ich bin ohne Fernseher, aber mit vielen Tierarten groß geworden. Natur ist ein schöner Weg zum Glück. Glück ist die Summe vieler kleine Freuden – und die liefert die Natur täglich. Heute Mittag rastete hier etwa ein Purpurreiher. Die kommen im Zuge der Klimakrise immer häufiger hier hoch. Das macht mich einfach glücklich.

Macht der Purpurreiher wirklich glücklich, wo er doch aufgrund der Klimakrise hier ist?

Nun ja, die Auswirkungen der Klimakrise sind heftig. Gleichzeitig: Was bringt der ganze Alarmismus? Ich möchte Menschen lieber mit der Schönheit der Natur erreichen. Denn der Mensch schützt nur, was ihn begeistert. Zu viel Negatives erschlägt ihn, führt zu Resignation. Naturschutz als positive Lebensphilosophie, das ist mein Weg. Es gibt ja aber zum Glück viele Wege und manchmal muss man halt auch draufhauen.

Nicht alles ist schön. Und gerade Ökos kämpfen erbittert um Windräder oder invasive Arten.

Lasst uns das bitte immer differenziert betrachten! Wir brauchen Windkraft um die Energiewende zu schaffen. Aber nicht überall. Manche neue Arten, also Neozoen und Neophyten bedrohen das Ökosystem. Die Kartoffelrose kann durch interspezifischen Konkurrenzdruck gar ganze Gesellschaften verdängen. Amerikanische Flusskrebsarten schleppten eine Pilzinfektion ein, die fast zur Ausrottung des europäischen Edelkrebses führte. Andere Arten, wie der Halsbandsittich, sind ungefährlich, die treten in keine Brutkonkurrenz. Weitere Arten fügen sich gar ins Ökosystem ein, diene als Nahrungsgrundlage, füllen Nischen und stabilisieren es sogar, etwa der Schmetterlingsflieder. Wir brauchen also immer einen offenen Dialog, um sinnige Lösungen zu finden.

Eine konstruktive und differenzierte Sichtweise ist auch uns wichtig. Gleichzeitig sind es gerade Fridays for Future oder Extinction Rebellion, die viele Menschen aktivieren. Und die legen den Finger in die Wunde.

Wie ich schon sagte: Was ist Naturschutz? Darüber könnte man stundenlang sinnieren. Auf jeden Fall ist ein Problem vieler Natuschutzbemühungen, dass sie einfach zu nett sind. Denn der Mensch ist in seiner Natur ein faules und bequemes Wesen, welches sich meist dann erst wirklich bewegt, wenn es weh tut. Dennoch sollte man nie dogmatisch werden und stets mit positiver, freudiger Neugier unseren Mitmenschen begegnen. Sonst entstehen schnell Grabenkriege die niemandem dienen. Wir schaffen das hier alles nur im Kollektiv.

Techno, Festivals und Natur – das harmoniert aber nicht immer.

Klar, es fällt Müll an und es ist laut und es ist hell. Aber viele Festivals sind schon recht nachhaltig. Wobei man da aufpassen muss, viele kaufen einfach nur Zertifikate, betreiben also Ablasshandel oder gar Greenwashing. Aber sind wir mal ehrlich: Viele Menschen verlassen ihre Betonbunker kaum. Festivals ziehen sie immerhin ein paar Tage in zurück in ihre Heimat Natur, wo man ihnen wertvolle Anregungen einpflanzen kann, wenn man das Ganze holistisch angeht.

Und was machst du dann auf den Partys mit den verstrahlten Leuten?

Ich biete oft auch naturkundliche Führungen an, etwa Fledermausexkursionen oder Vogelstimmenwanderungen. Viele denken dann, ich mach da nur Spaß, aber nein: Nach dem Rave gibt’s einen Fachvortrag. Und die Leute kommen, merken sich den Kram und schreiben ihren Freundinnen und Freunden, warum etwa Fledermäuse keine Kopfschmerzen bekommen wenn sie den ganzen Tag so von der Decke hängen.

Ach, warum bekommen die denn keine? Ich will auch!

Ah, da hast du wohl nicht aufgepasst (lacht). Die haben zum einen ein aktives Venensystem, bei dem durch Engstellen der Auslauf zum Herz gedrosselt wird und dem Tier im Ruhezustand nur die Blutmenge zur Verfügung steht, die es tatsächlich benötigt. Zum anderen ist ihr Herz proportional zu ihrer Körpergröße gesehen das größte Herz unter den Säugetieren; fast dreimal so groß wie unseres. Deshalb bekommen sie keine Kopfschmerzen.

Und wie kamen die Vögel in deine Musik?

Ich hab Naturschutz studiert und praktiziert. Gleichzeitig fing ich an elektronIsche Musik zu machen. Da war das dann ein ganz natürlicher, logischer Prozess: Ich hatte Kassetten mit Vogelstimmen drauf und Kassetten mit Techno drauf, und fing dann an diese zu mischen. So brauchte ich zudem erstmal keine teuren Synthesizer für meine Produktionen. Der Ziegenmelker zum Beispiel macht einen Sound wie ein Oszillator. Richtig geil für Musik.

Was ist das für ein Tier?

Es ist eine Nachtschwalbenart. Sein bizarres Aussehen, mit seinem riesigen Maul und den tagsüber zugekniffenen Augen, regte die Menschen schon in der Römerzeit zu der Vermutung an, er würde nachts an den Eutern der Ziegen im Stall saugen. In Wirklichkeit verschlagen ihn aber nur die vom Vieh angelockten Insekten dorthin.

Und warum verstummten dann die Vögel bei deiner Musik?

Irgendwann hat mich das gelangweilt. Jede Vogelart war aufgenommen und Fernsehteams fingen an mich aufzufordern, „mach mal Techno mit Vogelstimmen“. Das war wie bei Hermann Hesses „Stufen“: Der Drops war gelutscht.

Und jetzt?

Morgen fahre ich in den Pfälzer Wald zu einer Bienenfresser-Kolonie. Wenn man da kontemplativ sitzt, das macht was mit einem. Die Natur ist die größte Künstlerin überhaupt. Schmetterlinge etwa: Was für eine überbordende Schönheit! Wie ein Maler setze ich dann meine Eindrücke in Musik um. Das aktuelle Album heißt „Avichrom“, also ein Kunstwort welches soviel wie „Vogelfarben“ bedeutet.  Gerade in der Welt der Vögel zeigt sich die Vielfalt der natürlichen Schönheit besonders prächtig. Mutter Natur hat hier ihre komplette Farbpalette verwendet, so dass sich zu elf Farben namentlich eine Vogelart finden lässt. So heissen dann auch die einzelnen Tracks: Rotmilan, Braunkehlchen, Goldregenpfeifer usw. Dazu hab ich auch spannende Videoclips produziert, die für die Schönheit der Natur sensibilisieren, etwa mit dem renommierten Naturfilmer Jan Haft. Ich kooperiere da auch mit dem Nabu oder dem Berliner Museum für Naturkunde. Kunst und Kultur – das können lustvolle Vektoren für Wissen über unsere Natur sein.

Nehmen dich die Leute in den ganzen Institutionen ernst?

Am Anfang bist du als Grenzgänger natürlich immer erstmal der der bunte Vogel. Wenn sie sich aber mit meinem Schaffen auseinander setzen oder mit mir sprechen, klären sich schnell Dinge. Manche erinnern sich auch an das humboldtsche Bildungsideal: Kunst und Wissenschaft sollten sich ergänzen, gleichermassen ausgebildet werden, um einen ganzheitlichen Blick auf die Dinge zu bekommen. Zudem können so Inhalte ganz anders vermittelt werden, denn es ändern sich nur dann Dinge in unserem System, wenn es entweder weh tut, wie bei Fukushima, oder wenn Entscheidungen mehrheitsfähig sind. Umweltbildung ist also wichtiger denn je, die Menschen Sachverhalte verstehen lassen. Natur hat keine Lobby, sie braucht Helden.

An Umweltbildung fehlt es doch nicht. Müssen wir nicht eher Kohlekraftwerke blockieren?

Man muss sich immer wohl überlegen welches Instrument gerade das sinnigste ist. Bei manchen Problemen haben wir keine Zeit für lange Diskussionen. Manchmal braucht es direkte, unbürokratische Aktionen. Das mache ich auch.

Was denn?

Auf Grund eines Bestandschutzrechtes ist in einem bedeutenden Vogelschutzgebiet vor meiner Haustür, mit sogar EU-FFH Status, schwimmen für Einwohner juristisch gesehen nach wie vor erlaubt. Darunter haben viele Brut- und Rastvögel gelitten. Leider gab es an dem Zugang zu diesem Schutzgebiet kein Naturschutzschild, aber eine Tafel auf der es hieß: „Baden erlaubt nur für die Einwohner des Dorfes und Gäste“. Dies führte immer wieder zu Irritationen, da sich ja so jeder legitimiert fühlte dort zu baden. Ich habe mehrfach Behörden auf diesen Unsinn hingewiesen, es passierte nichts. Irgendwann hat es mir gereicht und ich habe das Schild umgesägt. Andere Aktionen will ich jetzt hier nicht öffentlich schildern. Anderes ist gar nicht so wild: Zu Lockdownzeiten betreute ich und meine Frau die hiesige Amphibienwanderung und wir trugen jede Nacht die Eimer mit den Kröten über die Strasse. Dann gab es die Ausgangssperre, aber wir haben das einfach weiter gemacht und bekamen dann ja auch eine Sondergenehmigung.

Das lange Interview endet schließlich. Dominik Eulberg und seine Ehefrau Natalia wollen noch nach den Blaumeisen schauen und Laubfröschen lauschen. Der Salzstreuer in Form eines Rotkehlchens wird weggeräumt, der Laptop zugeklappt. Beide sind wieder draußen.




Das Buch Mikroorgasmen überall gibt es auch signiert auf der Homepage von Dominik Eulberg.

Mittlerweile ist das Buch ja sogar zum Wissensbuch des Jahres in der Kategorie „Buch, das ein Thema am spannendsten präsentiert“ erkoren worden.


Texte: Marius Hasenheit
Interviewpartner: Dominik Eulberg
Illustration: Judith Neuling für transform Magazin

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