Raum einnehmen an der Clubtür

Zeynep arbeitet neben dem Studium als Türsteherin im ://about blank. Wir sprechen über ihren Umgang mit Macht und Gewalt, über Stereotype an der Tür und Sicherheit im Club.

Wer bist du und was machst du?
Ich bin Zeynep und ich stehe im ://about blank an der Tür. Unsere Arbeit besteht nicht nur darin auszuwählen wer rein kommt, wir kontrollieren auch Taschen auf gefährliche Gegenstände und machen Erste Hilfe in Notsituationen. Zum Teil erfüllen wir auch Awareness-Aufgaben. 

Wie war dein Weg dahin?
Ich habe einen Job neben meinem Studium gesucht und hatte keine Lust, die Bar zu machen. Wir haben viele im Team, die studieren oder sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen. Das ://about blank versteht sich als politischer Laden und wir sind auch alle politisiert. Reizvoll an der Arbeit an der Tür fand ich, dass sie klassische Geschlechterrollenbilder aufbricht.  

Türsteher, Barkeeperin, DJ, Tänzerin – auch in der Clubszene folgen Jobs oft klassischen Rollenbildern. Politische Clubs arbeiten dem aktiv entgegen.

Kannst du skizzieren, was dieses Rollenbild für dich ausmacht?
Frauen an der Tür werden schnell als “Mannsweib” bezeichnet, insbesondere wenn sie nicht so schmal sind wie ich. Dass ich schmal bin, muss wiederum aber nicht bedeuten, dass ich weniger Raum einnehmen kann oder weniger fit bin. Unterschiedliche Sportarten formen Körper unterschiedlich. Ich will mich von so etwas nicht beeinflussen lassen sondern sage mir: Ich mache, worauf ich Bock habe. Unabhängig davon, wo mich die Gesellschaft reinzwängen möchte.

Was bedeutet “Raum einnehmen” für dich?
Raum einnehmendes Verhalten bedeutet für mich, Mut und Durchsetzungsvermögen zu haben. Dass ich mir nichts sagen zu lassen brauche. Es bedeutet aber auch nicht, dass ich zwangsläufig extrovertiert sein muss, sondern dass ich auch introvertiert sein darf. Es heißt, dass ich selbst-empowernd für mich dastehe. Und so agiere wie ich glaube, dass es richtig ist. 

Raum einnehmendes Verhalten bedeutet für mich, Mut und Durchsetzungsvermögen zu haben. Dass ich mir nichts sagen zu lassen brauche. […] Und so agiere wie ich glaube, dass es richtig ist. 

Selbstbewusstsein an der Clubtür

Verlangt dir deine Arbeit im ://about blank das ab?
Selbst-Empowerment ist auf jeden Fall sehr wichtig, ich würde aber sagen, dass man das zu einem gewissen Grad mitbringen muss. Natürlich kann man an der Tür Neues dazu lernen. Türarbeit kann das Selbstbewusstsein aber nicht erst herstellen. Du hast ja auch einen Sicherheitsauftrag deinen Kolleg:innen und den Gästen gegenüber. Zudem ist es deine Lohnarbeit. Dem musst du gerecht werden können, da musst du wissen, ob du dir das zutraust. Generell denke ich aber, dass sich mehr Frauen das trauen sollten.

Türsteherinnen haben einen Sicherheitsauftrag für Gäste und Team: Wer könnte Probleme machen? Wer verhält sich übergriffig?

Woran mache ich fest, ob ich die richtige für den Job bin?
Selbstbewusstsein würde ich daran festmachen, ob mir Leute in die Augen schauen oder ob sie ihre Bedürfnisse deutlich kommunizieren können. Ob sie sicher auftreten oder eine Haltung einnehmen, die sie kleiner macht als sie eigentlich sind. Und, in unserer Arbeit, ob sie gewisse Spielregeln fürs Feiern klar vermitteln können. Was geht und was nicht geht. Außerdem ist es wichtig, in hochgekochten Situationen an der Tür in kürzester Zeit Entscheidungen fällen zu können. Diese Verantwortung kann man nicht abgeben.

Du sagst, das Selbstbewusstsein müsste man für den Job bereits mitbringen. Gibt es dennoch Dinge, die du an der Tür gelernt hast?
Natürlich habe ich über die Zeit mehr Fähigkeiten und mehr Selbstbewusstsein erlangt – aber nicht deutlich mehr als ich zuvor bereits hatte. Ich erinnere mich: Das erste Mal, als ich bei einer Runde durch den Club eine Person raus bitten musste, hat mich das echt noch Überwindung gekostet. Ich musste erst einmal bewusst ein- und ausatmen, bevor ich in die Situation reingehen konnte. Das habe ich heute nicht mehr. Da lernt man mit der Zeit, direkt einzugreifen, ohne sich innerlich darauf vorbereiten zu müssen. 

Gewalt an der Clubtür

Außerdem bin ich sicherer darin geworden, Situationen einschätzen zu können. Ich weiß jetzt, was gewisse Körpersprachen für den weiteren Verlauf der Situation bedeuten können. Durch die Erlebnisse, die an der Tür passieren, weiß ich auch, wie ich mit diesen Risiken umgehen kann. 

Was, im Gegensatz zu meinen männlich gelesenen Kollegen, zu mir und meinen Erfahrungen als Frau an der Tür gehört, ist die Androhung sexueller Gewalt.

Was, im Gegensatz zu meinen männlich gelesenen Kollegen, zu mir und meinen Erfahrungen als Frau an der Tür gehört, ist die Androhung sexueller Gewalt. Und das darf man nicht unterschätzen. Ich habe noch nie so viele Gewaltandrohungen bekommen wie an der Tür. Von Männern werden uns keine Eins-gegen-Eins-Kämpfe angedroht, sondern du kriegst dann ein “Ich fick dich!” oder Vergewaltigungsandrohungen anderer Couleur. Drohungen, dass dich jemand nach deiner Schicht oder auf dem Hermannplatz abpassen wird. Mit sowas muss man seinen Umgang finden. Du musst dich damit beschäftigen, darfst dich davon aber nicht zu stark negativ beeinflussen lassen.

Hast du Strategien, Regeln oder Gedanken durch die du dich auf Eskalation vorbereitet fühlst?
Eine gewisse Fitness müssen wir alle mitbringen, ohne die geht es nicht. Das heißt nicht, dass wir in jeder Situation aggressiv reagieren wollen – unsere Prämisse ist es, deeskalativ zu arbeiten. Aber wenn das nicht funktioniert, müssen wir Gewalt eben auch unterbinden können, um für die Sicherheit unseres Teams und der Gäste zu sorgen. Deswegen arbeiten wir konstant an unserer Fitness – was ja eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper mit sich bringt. Wie doll kann ich zuschlagen? Was kann ich einstecken? Diese Auseinandersetzung mit den eigenen körperlichen Fähigkeiten und Grenzen ist sehr sehr wichtig für die Türarbeit im Team: Zu wissen, was du in einer Situation selbst mitbringst.

Wie doll kann ich zuschlagen? Was kann ich einstecken? Diese Auseinandersetzung mit den eigenen körperlichen Fähigkeiten und Grenzen ist sehr sehr wichtig für die Türarbeit im Team: Zu wissen, was du in einer Situation selbst mitbringst.

Die Erfahrung von physischer Stärke und physischer Selbstbehauptung ist demnach wichtig für dein Gefühl von Sicherheit?
Absolut. Und diese physische Stärke mit deiner mentalen Stärke zu verbinden, ist obligatorisch. Ohne mental dafür bereit zu sein, bist du auch deplaziert. 

Was genau bedeutet mentale Stärke für dich? 
Vor allem die Auseinandersetzung mit Gewalt, das mit sich selbst zu vereinbaren. Als ich das erste mal jemanden fixieren musste war das ein kleiner Schock. Ich gehe ja nicht zum Spaß raus und haue Leuten eine rein. Aber du musst dir bewusst sein, dass du in diesem Job eine gewisse Machtposition erlangst, die du normalerweise gar nicht einnehmen wollen würdest.

Den Ort verlassen zu müssen oder gar nicht erst betreten zu dürfen ist unangenehm und führt immer wieder zu Gewalt. Damit umzugehen und solche Situationen deeskalieren zu können, ist Teil des Türsteherinnen-Jobs.

Steht das mit deinen Werten oder deinem Selbstbild im Konflikt? 
Mit meinem Selbstbild nicht so sehr – das ist noch immer meine Lohnarbeit und manchmal eben notwendig. Wichtig ist aber die Reflexion hinterher. Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen: Ich bin d’accord damit eine Arbeit zu machen, bei der ich im Zweifelsfall auch Gewalt einsetzen muss. Die ist ja auch nicht zwecklos, sondern ermöglicht anderen ja gerade das safe Feiern.

Fühlt sich deine Arbeit empowernd an für dich?
Auf jeden Fall. Aber das hat auch viel mit unserem Team zu tun. Da fühle ich mich extrem wohl, wir unterstützen uns gegenseitig. Gerade weil wir die Stärken und Schwächen der anderen gut kennen, können wir einander gut unter die Arme greifen. Diese Arbeit ist krasses Teambuilding, und das empowert sehr. Man darf nicht unterschätzen, dass man bei uns nie alleine an der Tür steht. Auch spüre ich, dass ich von meinen Kolleg:innen als gleichwertig gesehen werde. Dass ich innerhalb des Teams nicht mit Stereotypen konfrontiert werde.

Man darf nicht unterschätzen, dass man bei uns nie alleine an der Tür steht. Auch spüre ich, dass ich von meinen Kolleg:innen als gleichwertig gesehen werde. Dass ich innerhalb des Teams nicht mit Stereotypen konfrontiert werde.

Ernst genommen werden an der Clubtür

Warum ist es nice, Raum einzunehmen?
Ist es nice oder ist es notwendig? In unserer Arbeit müssen wir Leuten, die das erste Mal da sind, deutlich klar machen: Wir dulden hier keinen Sexismus, keine Homophobie, keinen Antisemitismus, keinen Rassismus. Dafür musst du Raum einnehmen, musst eine Autoritätsfunktion einnehmen und deutlich machen: Wenn du das nicht akzeptierst, fliegst du raus. Ohne dir den nötigen Raum zu nehmen, kriegst du diese Ansage nicht vermittelt. Wenn du das flüsterst oder nuschelst, werden du und das was du sagst nicht ernst genommen. Nice ist es, Raum einzunehmen, weil ich oft das Gefühl habe, erst dann ernst genommen zu werden und auch den Freiraum, der durch unseren Anspruch für Gäste im Club entsteht, schützen zu können. 

Sich bei Problemen an die Leute an der Tür wenden? Fällt leichter wenn dort auch Personen mit ähnlichen Erfahrungen arbeiten.

Gilt das auch, wenn du nicht an der Tür stehst?
Ich denke, jede Person sollte das nötige Raum einnehmende Verhalten haben, um sich, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen ausdrücken zu können. Dabei sollten jedoch die Grenzen anderer nicht überschritten werden. 

Wir brauchen nicht nur Frauen, sondern die gesamte Diversität unserer Clubgänger:innen an der Tür.

Was würdest du einer Leserin sagen die jetzt gerade feststellt: Ach krass, es gibt Türsteherinnen?!
Ich würde sagen: Ja, uns gibt’s. Und wir sind auch sehr wichtig. Ich bin selbst begeisterte Clubgängerin. Gerade als ich noch sehr jung war und in Clubs grenzüberschreitende Erfahrungen machen musste, bei denen ich nicht den Mut hatte, mich an die Männer an der Tür zu wenden, denke ich: Es wäre so cool gewesen, eine Frau an der Tür zu haben, der gegenüber ich mich hätte öffnen können. Bei der ich keine Hemmungen gehabt hätte, um nach Hilfe zu fragen. Bei der ich kein “Ach stell dich nicht so an” zur Antwort bekommen hätte. Wir brauchen nicht nur Frauen, sondern die gesamte Diversität unserer Clubgänger:innen an der Tür.

Weiterlesen

  • Türsteherinnen aus Indien, Uganda und UK berichten in kurzen Videos von ihrer Arbeit.
  • Die 90-minütige Dokumentation Berlin Bouncer folgt drei bekannten Berliner Türstehern durch ihren Alltag und ihre Erinnerungen an das Berlin der 90er Jahre. Keine Türsteherinnen, dafür eine schöne Arbeit.

Autorin: Chiara Marquart-Tabel
Illustration: Isabella Marquart


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